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Globale Allianz zur Rettung von Meeresschildkröten

21. September 2022

Verheddern sich Meeresschildkröten in herrenlosen Fischernetzen und Plastikmüll, brauchen sie dringend Hilfe. Die medizinische Pflege von Meeresschildkröten erfordert hochspezialisiertes Wissen und das war bisher schwer zugänglich. Die Veterinärmedizinerin Dr. Claire Petros hat deshalb gemeinsam mit OceanCare ein wegweisendes Projekt ins Leben gerufen: die Sea Turtle Rescue Alliance (STRA).

Weltweit gibt es Zentren, die verletzte Meeresschildkröten retten und pflegen. Aber obwohl alle mit ähnlichen Herausforderungen konfrontiert sind, haben sie bisher weitgehend autonom gearbeitet und sich untereinander kaum ausgetauscht. Mit der Sea Turtle Rescue Alliance ändert sich dies: Über das globale Netzwerk können sich Rettungskräfte und Rettungszentren gegenseitig unterstützen.

Menschengemachte Gefahren

Meeresschildkröten legen auf ihren Wanderungen tausende Kilometer zurück und sind dabei vielen Gefahren ausgesetzt. Es ist hauptsächlich der Mensch, der das Überleben dieser uralten Reptilien gefährdet. Neben Jagd, Beifang, chemischer Verschmutzung und Klimawandel kostet vor allem treibender Plastikmüll vielen Tiere das Leben. Jedes Jahr verenden Tausende Meeresschildkröten, weil sie Plastik fressen oder sich in sogenannten Geisternetzen verfangen.

Geisternetze sind herrenlose Fischernetze, die auf See verloren gehen oder dort rücksichtslos entsorgt werden. Sie werden zu tödlichen Fallen: Meeresschildkröten, aber auch andere Ozeanbewohner wie Wale und Delfine verheddern sich in den synthetischen Schnüren, die sich immer enger um den Körper legen und tiefe Wunden hinterlassen. Die Tiere sterben an diesen Verletzungen oder sie ertrinken, wenn sie nicht mehr zum Atmen auftauchen können.

Rettungsorganisationen auf der ganzen Welt versuchen, dieses Leid zu mindern, indem sie Meeresschildkröten aus ihrer Not befreien und behandeln. Damit retten sie nicht nur einzelne Tiere, sondern tragen auch zum Überleben der Arten bei. Das ist wichtig, denn bereits werden sechs von sieben Meeresschildkrötenarten von der Weltnaturschutzunion (IUCN) auf der Roten Liste der bedrohten Arten geführt.

Wer weiss, wie man Meeresschildkröten rettet?

Werden Meeresschildkröten, die sich verheddert und verletzt haben, rechtzeitig gefunden und richtig behandelt, können sie oft gerettet und wieder ausgewildert werden. Die Versorgung und die Pflege der Tiere erfordern aber spezifische Fachkenntnisse, für die es bisher nur wenige Quellen und Kurse gab. Rettungskräfte mussten sich dieses Wissen und die erforderlichen Methoden oft mühsam und langwierig selbst aneignen oder erarbeiten. Denn zwischen den Rettungszentren in den verschiedenen Teilen der Welt fand fast kein Austausch statt.

Dies fiel der Tierärztin Dr. Claire Petros vom Olive Ridley Projekt auf. Als sie 2019 mit Unterstützung von OceanCare begann, für ihre Dissertation die besten Behandlungs- und Rehabilitationsmethoden für Meeresschildkröten zusammenzufassen, besuchte sie Rettungsstationen auf allen Erdteilen. Mit der Idee eines globalen Netzwerks für Meeresschildkröten-Rettungszentren stiess sie bei OceanCare auf offene Ohren.

OceanCare setzt sich innerhalb internationaler Abkommen wie der Bonner Konvention seit Jahren dafür ein, dass Meeresschildkröten länderübergreifend geschützt werden, plädiert als Teil der Global Ghost Gear Initiative für eine Reduktion von Plastikmüll und Geisternetzen in den Weltmeeren und fördert den Ausbau und die Professionalisierung der Rettung verletzter Meeresschildkröten.

Kooperaion für bestmögliche Rettung und Pflege

2021 lancierten OceanCare und Dr. Claire Petros gemeinsam die Sea Turtle Rescue Alliance (STRA). Die Idee hinter dem Projekt ist so einfach wie wirkungsvoll: Die Allianz vernetzt weltweit Meeresschildkröten-Spezialisten, dokumentiert Wissen und Erfahrungen in der Behandlung der Schildkröten und stellt diese wertvollen Informationen allen Rettungszentren weltweit kostenlos zur Verfügung.

Dies geschieht über eine Online-Plattform, auf der das Expertenwissen festgehalten und laufend ergänzt wird. So profitieren alle von den Erfahrungen der anderen und auch kleinere, weniger gut ausgerüstete Rettungszentren erhalten Zugang zu wirkungsvollen, für sie anwendbaren Behandlungsmethoden. Dieser weltweite Wissenstransfer kann bei relativ geringen Kosten eine grosse Breitenwirkung entfalten und das Leben vieler Meeresschildkröten retten. Ausserdem können die Rettungszentren auf der Online-Plattform Patientendaten speichern, was zum besseren Verständnis der weltweiten Bedrohungslage von Meeresschildkröten beiträgt und Hinweise auf nötige Schutzmassnahmen gibt.

Neben dem Erfahrungsaustausch über die Online-Plattform organisiert STRA auch Workshops und Kurse und hat eine telemedizinische Beratung eingerichtet. Ausserdem verpflichtet die Allianz ihre Mitglieder zur Einhaltung eines ethischen Verhaltenscodex, welcher nicht nur die bestmögliche Behandlung von Meeresschildkröten sicherstellen soll, sondern auch, dass genesene Tiere wenn immer möglich wieder ausgewildert werden.

Bereits an Bord sind Rettungszentren u.a. aus Australien, Dubai, Griechenland, Israel, Kenia, La Réunion, Malediven, Mexiko, Philippinen, Sri Lanka und den USA. Es stossen laufend weitere Zentren dazu.