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Wer verursacht Unterwasserlärm?

Im Ozean wird es immer lauter. Dabei kann der Lärmeintrag konstant erfolgen, wie im Fall der Schifffahrt, oder explosionsartig, wie beim Einsatz von Schallkanonen durch die Ölindustrie in der Suche nach fossilen Brennstoffen im Meeresboden oder bei militärischen Aktivitäten. Für uns Menschen ist kaum wahrnehmbar, was unter der Wasseroberfläche akustisch passiert. Man sollte jedoch bedenken, dass sich Schall im Meerwasser fast fünfmal so schnell ausbreitet wie in der Luft. Das Ausmass der Schäden durch Unterwasserlärm für das Leben im Meer ist fatal.

Wenden wir uns nun den Verursachern von Unterwasserlärm im Ozean zu:

Schifffahrt

Der Unterwasserlärm eines Schiffes entsteht bei der Kavitation, die vom Propeller bzw. von der Schiffsschraube verursacht wird. Vereinfacht gilt die Grundregel: Je grösser und schneller Schiffe sind, desto lauter sind sie. Für die Hälfte des von der Schifffahrt verursachten Lärmeintrags in den Ozean sind nur etwa 15% der Schiffe verantwortlich. Aufgrund der Zunahme der Schifffahrt in den vergangenen Jahrzehnten – immerhin werden bis zu 90% der international gehandelten Güter auf dem Seeweg transportiert – hat sich auch in vielen Meeresgebieten seit den 1960er Jahren in jedem Jahrzehnt der Lärmeintrag verdoppelt. In europäischen Gewässern verdoppelte sich der Lärmpegel zwischen 2014 und 2019 sogar innerhalb von nur 5 Jahren.

Diesen konstanten von der Schifffahrt verursachten Unterwasserlärm kann man sich am besten als «akustischen Nebel» vorstellen. Es ist bekannt, dass er zu einer sogenannten «Maskierung», einer Überlagerung, der Kommunikation z.B. von Meeressäugern führt. Finnwale hören auf zu singen, sobald der Lärmpegel so hoch wird, dass er sie übertönt. Bei Glattwalen wurde erhöhter Stress als Folge von Schifffahrtslärm nachgewiesen. Doch nicht nur Meeressäuger, auch Fische und wirbellose Tiere sind nachweislich betroffen.

Die einfachste und rascheste Möglichkeit, Unterwasserlärm seitens der Schifffahrt zu reduzieren, ist die Drosselung der Fahrtgeschwindigkeit. Russel Leaper, Konsulent des IFAW und Unterwasserlärmexperte, hat berechnet, dass eine Reduktion der Fahrtgeschwindigkeit der globalen Schifffahrtsflotte um 10 bzw. 20% die Lärmemissionen um 40 bzw. 67% senken würde. Eine solche Massnahme hätte auch andere positive Umweltauswirkungen, wie die Senkung der Emissionen von CO2 und Luftschadstoffen und ein geringeres Risiko, mit Walen zu kollidieren. Aktuell arbeitet die Internationale Schifffahrtsorganisation (IMO) an der Überarbeitung der Richtlinien zur Reduktion der Lärmemissionen. Dabei werden auch technische Neuerungen und Adaptionen im Schiffsbau berücksichtigt. Die überarbeiten Richtlinien sollen im Sommer 2023 vorliegen.

 

Zu den sogenannten impulsiven und damit gefährlichsten Lärmquellen im Ozean zählen:

Seismische Untersuchungen

Stellen Sie sich vor, Sie werden von einem Knall aus dem Bett gerissen, der eine Million Mal lauter ist als ein Presslufthammer. So fühlt es sich für einen Wal an, wenn in seiner Umgebung nach Erdgas gesucht wird. Die Industrie arbeitet mit impulsiver Technologie, um den Meeresgrund geophysikalisch zu untersuchen und Öl- oder Gasvorkommen zu finden. Zur Kartierung eines Gebiets generieren 12 bis 48 Druckluftkanonen, die hinter einem Schiff hergezogen werden, über Wochen oder Monate rund um die Uhr alle 10 bis 15 Sekunden ohrenbetäubende Schallexplosionen in einer Intensität von bis zu 260 Dezibel.

Das erzeugt Schallwellen, die hunderte oder tausende Meter Meer durchdringen, bevor sie mehr als hundert Kilometer tief in den Boden eindringen. Das Echo gibt Aufschluss über die Beschaffenheit des Meeresbodens und Hinweise auf Öl- und Gasvorkommen. Solche seismischen Aktivitäten sind extrem gefährlich, können Meerestiere vertreiben oder töten und in einem Umkreis von bis zu 300.000 km² die normalen Hintergrundgeräusche um das Hundertfache übersteigen.

Die Fortsetzung seismischer Aktivitäten im Meer zur Erschliessung neuer Öl- und Gasvorkommen muss aus Klimaschutzgründen, aber auch zur Erhaltung mariner Arten untersagt werden. Geophysikalische Forschungsaktivitäten sollten strikten Umweltverträglichkeitsprüfungen unterliegen.

Militärische Aktivitäten

Militärische Aktivitäten gehören neben der Ölindustrie und der Schifffahrt zu den grössten Lärmverursachern in den Weltmeeren. Mit dem Verweis auf nationale Sicherheitsinteressen sehen sich Militärs meist nicht an Umwelt- und Artenschutzbestimmungen gebunden.

Militärsonare: Um U-Boote aufzuspüren, kommt aktiver Hochleistungssonar im nieder- und mittelfrequenten Bereich, der unter Wasser Tonimpulse von bis zu 240 Dezibel aussendet, zum Einsatz. Treffen diese auf einen Festkörper, wird ein Echo zurückgeworfen, welches das Objekt erkennbar macht. So werden ganze Ozeanregionen «durchkämmt». Der Einsatz aktiver Sonarsysteme hat in den vergangenen Jahrzehnten nachweislich zu zahlreichen atypischen Walstrandungen geführt. Doch solche Strandungen sind lediglich die Spitze des Eisberges an Konsequenzen dieser gefährlichen Technologie.

Sprengungen: Zahlreiche militärische Aktivitäten führen – auch in Friedenszeiten – zu Sprengungen unterschiedlicher Art: Waffentests, Sprengungen alter am Meeresgrund liegender Munition, Schussmanöver, Materialtests oder die Überprüfung der Widerstandsfähigkeit neuer Schiffe. Die Explosionen erzeugen extrem starken Lärm in einem breiten Frequenzbereich.

Militärische Aktivitäten sollten nicht von durch Meeresschutzbestimmungen entstehende Auflagen ausgenommen sein.

Errichtung von Windkraftanlagen

Bei der Errichtung von Windkraftanlagen im Meer entstehen intensive Lärmemissionen, wenn Stahlpfähle in den Meeresboden gerammt werden. Die Festlegung von Grenzwerten hat in einigen Ländern dazu geführt, dass Unternehmen grosse Summen an Investitionskapital bereitgestellt haben, um Lärmreduktionsmassnahmen oder alternative Verankerungen bzw. Bauweisen zu entwickeln.

Tiefseebergbau

Die Erschliessung von Rohstoffen im Rahmen des Tiefseebergbaus würde zu zahlreichen lärmerzeugenden Aktivitäten führen. Dazu zählen Maschinen, mit denen der Meeresboden abgebaut würde, genauso wie seismische Untersuchungen, der Einsatz von Fächerecholoten usw.

 

Weitere lärmintensive Aktivitäten sind Hafenarbeiten, Errichtung und Betrieb von Ölplattformen, Fischerei, Einsatz von akustischen Vergrämern u.v.m.

OceanCare setzt sich seit 2004 in zahlreichen regionalen und internationalen Gremien dafür ein, dass Lärmemissionen im Ozean reduziert werden. Dafür erhielt die Organisation im Jahr 2011 den UNO-Sonderberaterstatus für Meeresfragen zuerkannt.