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Die Auswirkungen von Unterwasserlärm für das Leben im Meer

Das Meer ist vorwiegend eine akustische Welt, u.a. auch weil ab 200 Metern Tiefe kaum mehr Licht durchdringt und es ab 1000 Metern stockdunkel ist. Die meisten Meerestiere sind auf ein feines Gehör angewiesen. Sie müssen Geräusche differenziert wahrnehmen können, um lebenswichtige Funktionen wie Kommunikation, Beutesuche, Orientierung, Gefahrenvermeidung oder Fortpflanzung auszuüben. Doch im Ozean wird es immer lauter und dadurch das Überleben vieler mariner Arten immer schwieriger. Dies betrifft nahezu alle Meerestiere, vom kleinsten Plankton bis zum grössten Wal.

Der Mensch beschallt das Meer intensiv. Die Folgen sind gravierend. Vieles ist über die Auswirkungen des Unterwasserlärms auf Meeressäuger bekannt. Hier einige Beispiele:

Wale und Delfine

  • Wale und Delfine verlassen lärmbelastete Lebensräume, seien sie auch noch so wichtig für sie, aufgrund des Einsatzes von Schallkanonen z.B. bei der Ölsuche. In manche Regionen sind sie über Jahre nicht mehr zurückgekehrt.
  • Unterwasserlärm kann zu reduzierter Kommunikation bei Walen und Delfinen führen, was sich wiederum negativ auf die Reproduktion auswirken kann.
  • Lärm kann den Wanderrhythmus von Walen verzögern. Manche Tiere wurden dadurch im Polareis eingeschlossen und gingen zugrunde.
  • Stunden nach dem Einsatz militärischer Sonare kam es in zahlreichen Fällen zu atypischen Wal- und Delfinstrandungen. Ändern die Tiere in Panik ihren Tauchgang, können innere Blutungen etwa in Herz und Hirn auftreten. Beim Menschen nennt man dies «Taucherkrankheit».

 

Doch das Ausmass der durch Lärm verursachten Schäden ist viel breiter. Um einen umfassenden Einblick auf die Konsequenzen des Unterwasserlärms auch auf andere Meerestiere zu erhalten, gab OceanCare eine Metastudie in Auftrag, die sämtliche wissenschaftlichen Erkenntnisse über die Auswirkungen von Lärm auf Fische und Wirbellose analysiert.

Fische

  • Seismische Schalldruckwellen schädigten das Gehör bei Fischen derart, dass diese sich auch 58 Tage nach der Lärmexposition noch nicht erholt hatten.
  • Viele Fischarten schütten bei Lärm vermehrt Cortisol aus. Kabeljau-Eier, in denen das Stresshormon nachgewiesen wurde, da die Elterntiere zu viel Lärm ausgesetzt waren, zeigten eine Befruchtungsrate, die um 40% reduziert war. Davon entwickelten sich nur die Hälfte der befruchteten Eier. In der untersuchten Brut führte dies zu einem Verlust von etwa 300 000 Kabeljauen.
  • Schiffslärm kann zu reduziertem Aufzuchtverhalten führen, wodurch die Überlebenschance der Brut verringert wird.
  • Durch Schiffslärm zeigten Riffbarsche verminderte Reaktionen auf Alarmgerüche, was im Fall drohender Gefahr fatal sein kann.
  • Der Lärm von Fähren führte bei Thunfischschwärmen zu einem Koordinationsverlust, was sich negativ auf die Genauigkeit ihrer Wanderbewegungen auswirken kann.
  • Fangraten von Kabeljau, Schellfisch und Felsenbarsch gingen nach seismischen Tests um 50-80% zurück, was zu negativen sozioökonomischen Auswirkungen für lokale Fischer führte.

Wirbellose Tiere

  • Nach seismischen Tests verfünffachte sich die Sterblichkeitsrate von Jakobsmuscheln. Riesenkalmare strandeten in Massen und wiesen Schäden an inneren Organen auf.
  • Ein Grossteil des für das marine Nahrungsnetz wichtigen Zooplanktons wurde durch den Einsatz einer einzigen Schallkanone im Umkreis von 1,2 Kilometern getötet. Man bedenke, dass bei der Suche nach Ölvorkommen im Meeresboden 18 bis 48 Schallkanonen simultan zum Einsatz kommen.
  • Als Folge von Schiffslärm nahm die Larvensterblichkeit bei Breitfussschnecken zu, bei Muscheln und Garnelen kam es zu einer Schädigung der DNA und die Immunkompetenz von Hummern war noch 4 Monate nach Lärmexposition wesentlich geringer als die nicht beschallten Hummer.

Reptilien

  • Wie Meeresschildkröten auf Lärm reagieren, ist kaum untersucht. Da Lederschildkröten ihren Niststrand anhand des Brandungsgeräuschs erkennen, dürfte Lärm sich negativ auf deren Reproduktion auswirken.
  • Beim Einsatz von Schallkanonen wurden ein Ausweichverhalten bei Schildkröten, vorübergehende Gehörschäden und auch Fluchtverhalten dokumentiert.

Marines Ökosystem

  • Die Manilamuschel wälzt beim Fressen Sedimente des Meeresbodens um und setzt damit Nährstoffe frei, die für ein gesundes Nahrungsnetz wichtig sind. Bei Lärm setzte sie ihr Fressverhalten aus.
  • Hummer wälzten bei Lärmexposition das Wasser in ihren Höhlen nicht mehr um, was sich negativ auf den Nährstofftransport im Wasser auswirkte.
  • Fische und wirbellose Tiere werden durch Lärm so stark beeinflusst, dass auch das gesamte Ökosystem beeinträchtigt werden kann. Fortpflanzung und Nahrungsaufnahme sind gefährdet und wichtige Ökosystemleistungen wie Nährstoffkreisläufe und Wasserfiltration sind beeinträchtigt. Das bedeutet, dass der Ozean das Leben nicht optimal erhalten und produzieren kann, was uns alle betrifft. Weil Lärm die biologische Produktivität der Meere in dieser Weise verringern kann (weniger Plankton), heisst es, dass letzten Endes, weniger Kohlendioxid von Plankton aufgenommen wird, was die Klimakrise zusätzlich verschlimmert.

 

Unterwasserlärm hat erhebliche negative Auswirkungen auf marine Arten und letztendlich auf das gesamte Leben im Meer. OceanCare arbeitet auf nationaler, regionaler und internationaler Ebene, um den Lärmeintrag ins Meer zu reduzieren. Dies betrifft sowohl intensive Lärmquellen wie bei der Ölsuche, als auch den konstanten Lärmeintrag durch die Schifffahrt.

 

Foto: Bastiaan Schuit/shutterstock.com