Story

Plastik: Schädlich entlang des gesamten Lebenszyklus

22. April 2022

Plastik ist eigentlich ein geniales Material. Doch es ist viel zu billig und wird oft produziert, um nach wenigen Minuten weggeworfen zu werden. Die wahren Kosten dieser Entwicklung bezahlt die Umwelt, denn Plastik belastet das Meer lange bevor wir es nutzen – und noch lange danach. Kunststoffe sind entlang ihres gesamten Lebenszyklus schädlich: von der Suche nach den Rohstoffen über die Produktion und den Gebrauch bis hin zur Entsorgung.

Würde Plastik ausschliesslich für hochwertige und langlebige Verwendungszwecke genutzt, sähe die Welt heute anders aus. Weil das Material aber oft nur für einen einmaligen Gebrauch produziert wird, verkommt es in rauen Mengen zu Abfall. Weshalb nimmt die Plastikflut weiter zu, obwohl niemand mehr weiss, wohin mit all dem Plastikmüll?

Plan B der Rohstoffindustrie

Seit das Pariser Klimaabkommen erneuerbare Energien in den Fokus gerückt hat, nimmt der Druck, fossile Brennstoffe zu vermeiden, zu. Ihr Wachstumspotenzial ortet die Rohstoffindustrie in der Kunststoffproduktion, da diese auf Erdöl und Erdgas basiert. Allein in den USA plant die Plastikindustrie, ihre Produktion in den nächsten Jahren um 30 Prozent zu steigern.

Erdöl- und Erdgasvorkommen werden zunehmend auch im Meeresboden gesucht. Dies geschieht mit Druckluftkanonen, die unter Wasser ohrenbetäubende Explosionen erzeugen. Sind Meerestiere in der Nähe, riskieren diese verletzt oder gar getötet zu werden. Damit nicht genug: Bei der Förderung und beim Transport von Öl kommt es immer wieder zu Unfällen. Öl, das ins Meer gelangt, belastet dessen Ökosystem sowie die Meerestiere jahrzehntelang.

Plastik heizt dem Klima ein

Die klimaschädlichen Emissionen sind entlang des gesamten Lebenszyklus von Plastik enorm. Es wird davon ausgegangen, dass bis 2050 rund 13 Prozent des globalen CO₂-Budgets* auf das Konto der Kunststoffindustrie gehen werden. Bereits heute ist deren Kohlendioxid-Ausstoss enorm und schadet dem Leben im Meer: Von der Arktis, wo den Eisbären der Lebensraum wegschmilzt, bis hin zu den Tropen, wo Korallenriffe wegen der Versauerung des Wassers absterben.

Das Meer ertrinkt in Müll

Rund 9 Millionen Tonnen Plastikmüll gelangen pro Jahr ins Meer. Die Kunststoffe werden durch Meeresströmungen an entlegenste Orte getrieben und in Meereswirbeln verdichtet. Sichtbare Plastikbfälle machen weniger als ein Prozent des Mülls aus, der sich im Ozean befindet. Die meisten Kunststoffe sinken in die Tiefe, am Meeresboden ist deren Konzentration tausend Mal höher als an der Wasseroberfläche. Plastik zersetzt sich im Wasser über Jahrzehnte hinweg und setzt dabei den Chemikalien-Cocktail frei, aus dem es besteht.

Für das Leben im Meer ist diese Entwicklung fatal. Jährlich verenden über eine Million Seevögel und Hundertausende weitere Meerestiere an Plastik. Sie verwechseln den Müll mit Nahrung und verhungern mit dem Magen voller Kunst­stoffe. Kleinste Plastikpartikel, sogenanntes Mikroplastik, reichert sich entlang der Nahrungskette in den Körpern der Tiere an und vergiftet diese schleichend mit seinen toxischen Additiven. Unzählige Meerestiere verfangen sich zudem in Fischernetzen, die aus Kunststoffen bestehen.

 

Plastik Lebenszyklus

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Illusion Plastikkreislauf

Hoffnung wird in einen Plastikkreislauf gesetzt. Dabei sind Zweifel angebracht: Einerseits nimmt die Qualität der Kunststoffe bei der Wiederverwertung ab. Man spricht von «Downcycling». Ausserdem gibt es unzählige Plastikarten mit unterschiedlichsten Eigenschaften und Inhaltsstoffen, die unmöglich getrennt gesammelt werden können. Eine Ausnahme bildet PET. Aber auch da besteht kein geschlossener Kreislauf: gebrauchtes PET wird nur zum Teil wieder zu neuen Flaschen, bei deren Produktion zudem neues Plastik beigemischt werden muss. Eine gewisse Menge PET wird zu Textilfasern verarbeitet, die aber nicht wiederverwertbar sind.

Weltweit wurden bisher je nach Region nur 1 bis 15 Prozent des gesamten je hergestellten und verwendeten Plastiks erneut als Wertstoff genutzt. Aus der Plastikkrise werden wir uns also nicht heraus rezyklieren können.

Globale Strategie als Ausweg

Bisher basiert die Bewältigung des Kunststoffproblems zu einem grossen Teil auf dem Prinzip der Freiwilligkeit. Bei der Selbstregulierung von Industrie und Verbrauchermarken hapert es aber. Die Verantwortung wird zu oft an Konsumentinnen und Konsumenten weitergegeben. Deren Beitrag ist zwar wichtig, doch alleine werden sie das Blatt nicht wenden können.

Die Plastikflut muss an der Quelle eingedämmt werden. Dazu braucht es einen globalen rechtlichen Rahmen. OceanCare setzt sich für ein internationales Plastikabkommen ein, das Kunststoffe entlang ihres gesamten Lebens­zyklus reguliert.

* Das CO₂-Budget beziffert, wie viel Kohlendioxid weltweit produziert werden darf, ohne dass die globale Temperatur weiter ansteigt.