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Mikroplastik: Kaum sichtbar, aber alles andere als harmlos

25. April 2022

Im Ozean treibt eine grosse Menge winziger Plastikpartikel. Für die Meeresbewohner sind sie lebensbedrohlich. Einmal im Meer, kann Mikroplastik nicht mehr daraus entfernt werden. Es darf also gar nicht erst ins Wasser gelangen.

Was gibt es Schöneres, als barfuss am Strand zu schlendern? Was sich unter den nackten Füssen so angenehm rau und natürlich anfühlt, sind aber nicht nur Sandkörner. Es sind immer mehr auch Mikroplastikpartikel – also Plastikteilchen, die kleiner sind als fünf Millimeter.

Mikroplastik an Stränden stellt nur einen kleinen Teil des Problems dar. Die weitaus grössere Menge befindet sich in den Weltmeeren. Auf der Meeresoberfläche schwimmen schätzungsweise 5,25 Billionen Plastikteilchen, die zusammen 269 000 Tonnen wiegen. Das entspricht dem Gewicht von rund 2150 Blauwalen. Nach und nach besiedeln Bakterien und Algen die Plastikfragmente, die damit schwerer werden und absinken. Selbst die Tiefsee ist mittlerweile mit Mikroplastik kontaminiert.

Aus GROSS wird klein

Woher stammen all diese Plastikpartikel? Ein Teil ist industriell produziertes, primäres Mikroplastik. Dies sind etwa Pellets, die zur Herstellung neuer Kunststoffprodukte genutzt werden und bei Transport und Verarbeitung in die Umwelt gelangen können.

Auch winzige Plastikkügelchen, die vielen Kosmetik-, Pflege- und Reinigungsprodukten beigemischt werden, weil sie angeblich deren Reinigungswirkung verbessern sollen, gelten als primäres Mikroplastik. Ebenso Mikrofasern, die sich beim Waschen aus synthetischen Textilien lösen, oder der Abrieb von Autoreifen, der allein in Europa rund 550 000 Tonnen Kunststoff in die Umwelt einträgt.

Als sekundäres Mikroplastik werden Kleinstpartikel bezeichnet, die durch Zerkleinerung grösserer Plastikteile entstehen. Die Kunststoffe werden durch UV-Strahlen, Wind und Wellen spröde und zerfallen in immer kleinere Teile. Auch in Binnengewässern zerfällt der Plastikabfall auf diese Weise. So schwemmt etwa die Rhone täglich mehr als zehn Kilogramm Mikroplastik aus dem Genfersee ins Mittelmeer.

Fatale Folgen für das Leben im Meer

Meerestiere leben von dem, was sie umgibt. Es erstaunt nicht, dass Mikroplastik in deren Körper gelangt – durch den Mund beim Fressen oder über die Kiemen beim Atmen. Bisher wurden Plastikpartikel in über hundert Tierarten nachgewiesen.

Studien belegen, dass die grössten Meeresbewohner wie die Bartenwale, der Manta oder der Riesenhai am stärksten belastet sind. Sie alle fressen Plankton und nehmen so riesige Mengen an Mikroplastik auf. Und damit verbunden giftige Zusatzstoffe wie etwa Weichmacher: Diese wirken ähnlich wie Hormone und beeinträchtigen die Fruchtbarkeit. Bei männlichen Tieren bilden sich im Extremfall sogar Eierstöcke.

Häufig werden dem Plastik auch Flammenschutzmittel beigemischt, um dessen Entzündbarkeit zu senken. Diese Chemikalien sind krebserregend. Sie lösen sich aus dem Mikroplastik und können bei Fischen zu Tumoren führen. Mikroplastik birgt auch Verletzungsgefahren: Bei kleineren Tieren wie Muscheln oder Krebsen verletzen die scharfen Kanten der Plastikteilchen die empfindlichen Schleimhäute im Magen, was zu Entzündungen führt.

Gefährlich ist Mikroplastik auch für uns Menschen. Es wurde etwa in Honig, Bier, Milch oder Leitungswasser nachgewiesen. Kunststoffe sind heute omnipräsent – von den Alpen bis hin zur Arktis.

Kampagne gegen Mikroplastik in Kosmetikartikeln

Noch immer enthalten viele Kosmetikprodukte Mikroplastikpartikel, obschon die Hersteller den gewünschten Effekt auch mit natürlichen Substanzen erzielen könnten. Gegen diesen Missstand geht Beat the Microbead vor, eine internationale Kampagne aus über 60 Organisationen, bei der OceanCare seit 2014 mitwirkt. Eine Smartphone-App ermöglicht es Konsumentinnen und Konsumenten, die Inhaltsstoffe von Kosmetika zu prüfen und Produkte ohne Mikroplastik zu wählen. Mit der Codecheck-App können weitere Inhaltsstoffe überprüft werden.

In der Schweiz hatte OceanCare 2015 bei Herstellern von Pflegeprodukten interveniert und danach festgestellt, dass einige festes Mikroplastik durch natürliche Stoffe wie Zucker oder Kieselsäure ersetzt hatten. Manche Produzenten wichen aber auf nicht minder schädliches, jedoch unsichtbares flüssiges oder gelartiges Mikroplastik aus. Da die Industrie auf freiwilliger Basis zu wenig unternimmt, setzt sich OceanCare dafür ein, dass die Verwendung von Mikroplastik in Kosmetika und Reinigungsprodukten in der Schweiz verboten wird.

Gefährliche Kunstfasern

Synthetische Kleidung wie Fleecejacken verlieren bei jedem Waschgang Millionen von Mikrofasern. Werden diese nicht gefiltert, gelangen sie in den Wasserkreislauf. Beim Kauf neuer Textilien sollte man darauf achten, dass sie keine Kunstfasern enthalten. Synthetische Materialien, die man bereits besitzt, können im Guppyfriend-Beutel gewaschen werden, der Mikrofasern auffängt.

OceanCare hatte 2018 an der Konsultation zur Direktive der EU-Kommission für Ökodesign- und Energielabel-Anforderungen teilgenommen und gefordert, dass der Einbau von Mikrofaserfiltern in Waschmaschinen und Tumblern für zertifizierte Hersteller zur Pflicht werden soll. Bei Annahme einer solchen Richtlinie würde europaweit deutlich weniger Mikroplastik in die Gewässer gelangen.

Mikroplastik ist eine grosse Gefahr für das Leben im Meer. Wir alle können mit unserem Verhalten beitragen, dass weniger Partikel ins Wasser gelangen. Und sollten dies auch tun.

Infografik zu Mikroplastik im Meer