Medienmitteilung

Die Schweiz hat ein Plastikproblem und braucht verbindliche Gesetze

31. Oktober 2022

Die Schweiz hat ein Plastikproblem. Dieser Ansicht sind fast drei Viertel der Bevölkerung, 25% sehen sogar ein massives Problem. Dabei zeigt die jahrzehntelange Aufklärungsarbeit von OceanCare ihre Wirkung: die Menschen sorgen sich sehr um plastikvermüllte Meere – und das besorgt sie sogar mehr als Plastik im Schweizer Trinkwasser. Vor allem aber: Der Wunsch nach rechtlich bindenden Massnahmen ist gross.

Pazifik-Plastikstrudel fast 40 mal grösser als die Schweiz

Jedes Jahr gelangen rund 9 Mio. Tonnen Plastik in die Weltmeere. Mittlerweile sind alle Ozeane von Plastikabfall betroffen, einsame Strände ebenso wie der Meeresgrund der Antarktis. Allein im Mittelmeer landen jährlich rund 17’600 Tonnen Plastik. Besonders sichtbar sind Millionen von Tonnen Plastikmüll in fünf riesigen Müllstrudeln, der Pazifikstrudel ist fast vierzig mal grösser als die Schweiz. OceanCare setzt sich intensiv international für ein globales Plastikabkommen für die Eindämmung von Plastik ein – entlang des vollständigen Lebenszyklus: von der Gewinnung, Produktion und Verwendung, bis zur Entsorgung und Wiederverwendung von Plastik. Flüsse sind die Wurzeln der Meere, das Meer beginnt in der Schweiz. Deshalb engagiert sich OceanCare auch national gegen die Plastikflut, welche die Schweiz schon unmittelbar betrifft.


DIE UMFRAGE IM DETAIL

Plastik: Verpackungsmüll – Ältere Generation besonders besorgt

Das grösste Problem sehen die Schweizerinnen und Schweizer bei Plastikverpackungen. Besonders Doppelverpackungen gelten als unnötig (34%), generell werde «zu viel verpackt» (30%). Auf Rang 2 und 3 der Kritik liegen Plastikmüll und das Recycling. Interessanterweise zeigte sich, dass das Plastikproblem vor allem der älteren Generation grosse Sorgen macht – anders als in den meisten öffentlichen Klimadebatten, die stark von jüngeren Akteuren angetrieben werden.

«Die Plastikverschmutzung betrifft zunehmend das Leben in der Schweiz. Mikroplastik findet sich bereits in grossen Mengen im Schnee der Alpen, in unseren Böden und Gewässern. Wir wollten in einem Realitäts-Check abholen, wie sehr den Menschen in der Schweiz dieses Problem bewusst ist», sagt Fabienne McLellan, Geschäftsführerin und Leiterin des Plastikprogramms bei OceanCare. «Um die Hebel dort anzusetzen, wo sie am besten greifen, brauchen wir genaue Informationen. Die repräsentativen Umfrageergebnisse geben uns wichtigen Aufschluss darüber, wo Handlungs- und Überzeugungsbedarf besteht», so McLellan.

Drei Viertel der Schweizer besorgt vor allem der Plastikmüll in Meeren und an Stränden

Die nächste Überraschung: Normalerweise gilt bei Umfragen, «je näher das Problem, desto grösser ist auch die Betroffenheit». Erstaunlicherweise gilt in der Plastikfrage jedoch genau das Gegenteil: 73% der Schweizer nehmen Plastik im Meer und an den Stränden als problematischer wahr als solches in der Schweizer Natur. Das Problembewusstsein zieht sich dabei durch alle politischen Lager von links bis rechts hindurch und kann nicht als klassisches Öko-Thema abqualifiziert werden. Sorgen wegen plastikverschmutzer Meere macht sich auch die Hälfte der der SVP-Wählerinnen. Die Plastikvermüllung der Schweizer Natur belastet nur die Hälfte der Befragten (54%), Plastik im hiesigen Trinkwasser gar noch weniger Menschen (43%). Interessanterweise bewerten Landbewohner, die in direkterem Austausch mit der Natur stehen, dies ganz ähnlich wie Schweizer, die in Städten leben.

Eigenverantwortung – Mehrheit der Schweizer unterschätzt eigenen Plastikverbrauch.

Die meisten Befragten unterschätzen, wieviel Plastik sie tatsächlich jedes Jahr verbrauchen, – es sind tatsächlich 125 Kilo statt der geschätzten 100 Kilo. Und: Obwohl die Schweizerinnen und Schweizer das Plastikproblem an sich klar wahrnehmen, ist die Abfalltrennung mit 93% bisher die einzige Umweltschutzmassnahme, die in der Mehrheit der Bevölkerung nachhaltig verankert ist. Nur gut die Hälfte der Bewohner vermeidet Abfall beim Einkaufen (59%), kauft bereits jetzt weniger ein (56%) und verzichtet auf Einweg-Plastik (54%). Aber auch hier ist der Anteil, der dies konsequent umsetzt, vergleichsweise klein. Ökostrom nutzen nur knapp 40% der Menschen, und nur ein Viertel kompensiert CO2. Hier liegt übrigens die Kriegsgeneration ganz vorn, die älteren Schweizerinnen und Schweizer kompensieren nämlich doppelt so viel CO2 wie alle anderen. Und höchstens ein Fünftel der Befragten kauft gebrauchte Produkte – hier sind es in erster Linie junge Leute. Künftig ist jedoch ein Drittel der Schweizerinnen und Schweizer motiviert, dringend den eigenen Konsum und Verbrauch zu reduzieren (37%) und Einwegplastikprodukte (35%) und beim Einkauf Abfall zu vermeiden (33%).

Verantwortung für den Plastikmüll – Die Tragik der Allmende

Das Problembewusstsein in Sachen Plastik ist gross – doch die Frage nach der Verantwortung blockiert bisher klare Handlungsschritte. Wie so häufig in Umweltfragen bestätigt sich auch in Sachen Plastik das Allmende-Problem. Denn bei für alle nutzbarem Gemeinschaftseigentum sieht sich oft niemand direkt in der Verantwortung. Dadurch werden frei verfügbare aber begrenzte Ressourcen, wie eine gesunde Umwelt, ineffizient genutzt, so dass diese am Ende bedroht ist.

Um das Plastikproblem zu lösen, sieht die Bevölkerung in erster Linie die Endverbrauchenden und die Wirtschaft in der Verantwortung. Direkt danach sind der Staat und die Behörden gefragt sowie Wissenschaft und neue Technologien. NGOs schliesslich werden am wenigsten in der Verantwortung gesehen.

Bilanz: Grosser Wunsch nach rechtlich bindenden Massnahmen

Mehr als die Hälfte der Schweizerinnen und Schweizer wünscht sich harte Massnahmen und Interventionen per Gesetz. Im Klartext: Gesetzliche Vorgaben müssen rasch und konsequent her, um Mikroplastik aus Verbrauchsgütern zu verbannen, die Plastikproduktion generell einzudämmen und den Verbrauch von Einwegplastik sinnvoll zu reduzieren.

Bei der Frage nach rechtlich-bindenden Massnahmen unterscheiden sich die Generationen: Die Kriegsgeneration spricht sich dezidiert dafür aus, die bestehenden Gesetze zur Verhinderung der Plastikverschmutzung konsequent umzusetzen. Jüngere Personen dagegen wünschen sich eher weitreichendere Gesetze. Auch gibt es einen eindeutig politisch geprägten Links-Rechts-Graben: Je weiter links auf dem Parteienspektrum die Sympathien einer Person liegen, desto eher stimmt sie auch für strengere Massnahmen gegen die Plastikverschmutzung.

Fast 50% wünscht sich eine Vorreiterrolle der Schweiz beim internationalem Plastik-Abkommen

Über alle Parteiaffinitäten hinweg zeigt sich: Die Schweiz soll sich an einem internationalen Abkommen gegen die Verschmutzung durch Plastik beteiligen. Knapp 50% wünschen sich hier eine Vorreiterrolle der Schweiz. Dabei gilt: je stärker rechts die politische Gesinnung einer Person, desto weniger wünscht sie sich eine solche Vorreiterrolle.

„Die Problemwahrnehmung der Schweizer Bevölkerung ist hoch, sie sieht sich aber nicht in erster Linie in der Verantwortung, das Plastikproblem zu lösen. Interventionen vom Staat sind klar erwünscht. Es ist nun Sache der politischen Vertreterinnen und Vertreter, Zukunftspolitik zu machen und die gesetzlichen Leitplanken zu schärfen“, sagt McLellan. Dabei hat sich die Schweizer Politik beim Thema Plastikmüll – verglichen mit dem Ausland – bisher nicht hervorgetan „Die Schweiz ist Europas Schlusslicht in der Plastikreduktion. Die EU-Einwegplastikdirektive hat bereits 2019 ausgewählte Einwegplastikartikel verboten und auch der EU-Green Deal befasst sich eingehend mit der Thematik – in der Schweiz vermissen wir solch weitreichende Regelungen. Die Schweiz muss nun endlich nachziehen und die gesetzlichen Grundlagen zur Vermeidung der Plastikverschmutzung anwenden und ausbauen“, fordert McLellan abschliessend.

Diese Umfrage ist Teil einer grossangelegten Initiative von OceanCare zur Plastik-Eindämmung in der Schweiz. Die Studie der gfs.bern befragte 1013 Schweizerinnen und Schweizer, quotiert nach Alter, Geschlecht und Sprachregion. Die repräsentative Umfrage fand im Zeitraum von 14 Tagen vom 20. Juni bis 3. Juli 2022 statt.

Über weitere Massnahmen halten wir Sie auf dem Laufenden.

 

Foto: Jens Kramer