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Kurze Verschnaufpause für die Tiefsee! Aber für wie lange?

24. Juli 2023

Nach zwei Wochen intensiver Verhandlungen am Sitz der Internationalen Meeresbodenbehörde (ISA) in Kingston, Jamaika, beendete der ISA-Rat seine Sitzung am 21. Juli, ohne dass ein Regelwerk für den Tiefseebergbau finalisiert und verabschiedet wurde. Dank des starken Engagements einiger Länder, die den Tiefseebergbau ablehnen, konnte weiterhin ein Startschuss der industriellen Erschliessung der Tiefsee verhindert werden. Die Aufmerksamkeit richtet sich nun auf die ISA-Versammlung, die vom 24. bis 28. Juli tagt und auf der die Länder zum ersten Mal über eine generelle ‚Pause‘ für den Tiefseebergbau diskutieren werden. OceanCare wird zusammen mit anderen Organisationen weiterhin auf die Dringlichkeit der vorsorglichen Aussetzung jeglicher Tiefseebergbaupläne und die Notwendigkeit eines Moratoriums hinweisen.

Forderungen nach einer vorsorglichen Aussetzung oder einem Verbot des Tiefseebergbaus – unter anderem von einer wachsenden Zahl von Staaten, Stimmen aus der Wissenschaft und Zivilgesellschaft, der Fischereiindustrie, dem Finanzsektor und weltweit agierenden Unternehmen , werden immer lauter. Entsprechend angespannt war die Situation vor der Wiederaufnahme der 28. Sitzung der Internationalen Meeresbodenbehörde in Kingston.

Der Rat, dem 36 Staaten angehören, tagte vom 10. bis 21. Juli, um eine Einigung über den Umgang mit der so genannten ‚Zwei-Jahres-Regel‘ zu erzielen, die 2021 auf Initiative des Inselstaates Nauru ausgelöst wurde. Diese ‚Zwei-Jahres-Regel‘ sieht vor, innerhalb von 24 Monaten ein Regelwerk für den Tiefseebergbau zu verabschieden oder nach Ablauf der Zweijahresfrist Anträge trotzdem zu prüfen und «vorläufig zu genehmigen». Diese Frist lief am 9. Juli ab und setzte somit Regierungen enorm unter Druck.

Am Freitagabend, 21. Juli, endete die Sitzung des Rates mit einem hinter verschlossenen Türen vereinbarten Kompromiss, ohne dass ein Regelwerk für den Tiefseebergbergbau vereinbart oder verabschiedet wurde. Die Befürworter des Tiefseebergbaus erhielten kein grünes Licht für den Startschuss der industriellen Erschliessung der Tiefsee.

Eine wachsende Anzahl von Ländern, darunter Costa Rica, die Schweiz, Deutschland, Frankreich und Brasilien, haben in den vergangenen Tagen politische Führungsstärke bewiesen und sich couragiert den Bestrebungen widersetzt, die Tore für den Tiefseebergbau zu öffnen.

Der ISA-Rat hat es allerdings versäumt, die Rechtslücke zu schliessen, die den Beginn der Ausbeutung des Meeresbodens aufgrund der so genannten ‚Zwei-Jahres-Regel‘ ermöglichen würde. Dies bedeutet, dass der Tiefseebergbau dennoch möglich bleibt.

Um, zumindest für einen längeren Zeitraum, den Tiefseebergbau in internationalen Gewässern zu unterbinden, braucht es ein Moratorium. Damit richtet sich der Blick nun auf die Versammlung der ISA, das oberste Organ der Behörde, die nun von 24. bis 28. Juli tagt. Die Versammlung, der alle Mitglieder der Internationalen Meeresbodenbehörde angehören, berät zum ersten Mal über eine mögliche ‚Pause‘ für den Tiefseebergbau.

Auch wenn unser Wissen über die ökologischen Zusammenhänge der Lebensräume in der Tiefsee und dort lebend Arten mangelhaft ist, hätte die industrielle Ausbeutung der in tiefen Gewässern vorkommenden Rohstoffe signifikante, möglicherweise irreparable Auswirkungen und den Verlust biologischer Vielfalt zur Folge. OceanCare ist äusserst besorgt über den Tiefseebergbau und einhergehende Gefahren, u.a. den dadurch entstehenden Unterwasserlärm in akustisch besonders sensiblen Habitaten.

Um die marinen Arten und Ökosysteme der Tiefsee wirksam zu schützen, braucht es die Anwendung des Vorsorgeprinzips und die Einsetzung eines Moratoriums. Für ein solches wird sich OceanCare, als Mitglied der Deep Sea Conservation Coalition (DSCC), zusammen mit anderen Organisationen bei den Verhandlungen der ISA-Versammlung kommende Woche einsetzen.