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Was bedeuten die jüngsten Rekordhitzewellen für die Ozeane?

Die Menschheit hat im Sommer 2023 den heissesten Monat ihrer Geschichte durchlebt. Die Auswirkungen der Hitze machen aber an der Küste nicht Halt.

Während viele von uns in der nördlichen Hemisphäre eine Sommerpause eingelegt haben, war der Klimawandel weiterhin deutlich am Werk. So hat die Menschheit 2023 den heissesten Monat ihrer Geschichte erlebt, mit rekordverdächtigen globalen Temperaturen zwischen dem 3. Juli und dem 7. August. Das bedeutet: Jeder der 36 Tage war heisser als der bisherige durchschnittliche Temperaturrekord, der erst am 24. Juli 2022 aufgestellt worden war. In den 11 Monaten zuvor wurde jeden Monat ein neuer Temperaturrekord aufgestellt. Seit Beginn des neuen Jahres gibt es keine Erleichterung mehr. Die Folgen sind dramatisch. Die extreme Hitze und die damit verbundenen Brände verwüsteten von Griechenland bis Hawaii Häuser und ganze Gemeinden.

Die Hitzewelle machen aber an der Küste nicht Halt: Wärmere Gewässer und eine wärmere Atmosphäre speichern mehr Energie, und so überrascht es vielleicht nicht, dass für die Hurrikansaison 2024 im Nordatlantik 33 Hurrikane vorhergesagt werden. Das ist die höchste jemals vorhergesagte Zahl. Im tropischen Atlantik und im westlichen Pazifik, im Mittelmeer und im Indischen Ozean herrschen rekordverdächtige globale Temperaturen. Über das ganze letzte Jahr war jeder einzelne Tag ein Rekordtag in der globalen Ozean-Oberflächentemperatur.

Wie so oft tragen die Ozeane die Hauptlast der menschlichen Exzesse. Sie haben in den letzten Jahrzehnten als eine Art globaler Puffer für die Klimakrise gedient, indem sie grosse Mengen des von uns in die Atmosphäre ausgestossenen Kohlendioxids aufgenommen und etwa 90 Prozent der dadurch entstandenen überschüssigen Energie und Wärme gespeichert haben. So wurden einige Auswirkungen der globalen Erwärmung an Land tatsächlich gedämpft. Die Häufigkeit maritimer Hitzewellen (definiert als Zeiträume von fünf oder mehr Tagen, in denen die Meeresoberflächentemperatur (SST) wärmer als das 90. Perzentil ist) hat sich zwischen 1982 und 2016 verdoppelt. Auch wurden die maritimen Hitzewellen länger und intensiver.

Aber was wir in den letzten 12 Monaten erlebt haben, ist beispiellos: Ende Juli wurde im Mittelmeer mit 28,71 °C die höchste jemals gemessene mittlere Oberflächentemperatur registriert. Im Juli lag die Anomalie der Meeresoberflächentemperatur in Teilen des Mittelmeers um atemberaubende 5 Grad höher als üblich. Im August trat die gleiche Anomalie auch im östlichen Pazifik auf. Es wäre ein Fehler, dies einfach dem sich entwickelnden El-Niño-Wetterereignis zuzuschreiben, denn die rasche Erwärmung begann bereits im März 2023, bevor sich dieses Wetterphänomen überhaupt entwickelt hatte. Durchaus trägt El-Niño zu den jüngsten Hitzewellen bei, doch sind die rekordhohen Temperaturen in erster Linie auf den menschengemachten Klimawandel zurückzuführen.

Die Grafik zeigt, dass die Weltmeere im Jahr 2023 und 2024 im Durchschnitt so warm sind wie noch nie zuvor seit Beginn der Messungen in den 1980er Jahren (SST = Sea Surface Temperature). Quelle: Climate Change Institute, University of Maine (07.05.2024) (oder BBC)

Es ist bekannt, dass zu warmes Wasser Korallenriffe zerstören kann. Die vierte weltweite Massenkorallenbleiche wurde soeben festgestellt, und das Great Barrier Reef wurde von der schlimmsten Massenkorallenbleiche aller Zeiten und der fünften in den letzten acht Jahren heimgesucht. Die Erwärmung des Wassers wirkt sich aber auf fast das gesamte Meeresleben aus, das sich in sehr stabilen und oft sehr spezifischen Temperaturbereichen entwickelt hat. Jede Temperaturabweichung kann für das Leben im Meer zu gravierenden Problemen führen, vor allem, wenn Veränderungen so schnell ablaufen, dass sich die Organismen realistischerweise nicht anpassen können.

Korallen und andere festsitzende Meereslebewesen haben nur wenige Anpassungsmöglichkeiten, wenn sich ihr Lebensraum zu stark erwärmt. Die meisten Korallen bleichen aus, wenn die Wassertemperatur auch nur ein Grad Celsius über dem Niveau liegt, das sie normalerweise mehrere Wochen lang vertragen, was bedeutet, dass sie nicht mehr in der Lage sind, sich selbst zu ernähren. Wenn abnorme Temperaturen anhalten, bleiben sie gebleicht und verhungern.

Beweglichere Meeresbewohner wie Fische können zu „Klimaflüchtlingen“ werden, indem sie günstigere Umgebungen aufsuchen. Es gibt bereits Belege dafür, dass zahlreiche Meerestierarten jedes Jahr polwärts in kühlere Gewässer wandern. Viele Arten haben dazu aber nur begrenzte Möglichkeiten. Etwa jene, die in geografisch klar umschriebenen Regionen und Klimawandel-Hotspots wie dem Mittelmeer leben. Das Mittelmeer ist einer der weltweit vielfältigsten marinen Lebensräume. Es beheimatet über 17’000 Arten. Das Mittelmeer erwärmt sich aber auch um 20 Prozent schneller als es die globalen Meere durchschnittlich tun. Damit erhöht sich der Belastungsdruck, dem das mediterrane Ökosysteme ausgesetzt ist, zusätzlich.

Erwärmt sich das Wasser, intensiviert sich der Stoffwechsel der meisten Fischarten. Dadurch müssen sie mehr fressen, um ihre Gesundheit zu erhalten. Erschwerend kommt hinzu, dass viele Bestände von Beutearten aufgrund der Erwärmung oder aus anderen Gründen wie etwa der Überfischung zurückgegangen sind. Ein Beispiel für die Beeinträchtigung ganzer Nahrungsnetze durch eine marine Hitzewelle stammt von der Westküste Nordamerikas: Zwischen 2014 und 2016 führte eine marine Hitzewelle, die den Namen „tödlicher Blob“ erhielt, zu nährstoffarmen Gewässern. Der Planktonbestand, auf den die Fische angewiesen sind, reduzierte sich dramatisch. Als Reaktion entfernten sich die Fische von der Küste, was unter Seelöwenjungen zu einer weit verbreiteten Hungersnot führte und fast einer Millionen Seevögel das Leben kostete.

Was sich unter der Wasseroberfläche abspielt, bleibt oft unbemerkt. Der Mensch wird auf Probleme oft erst aufmerksam, wenn sie sich an Land bemerkbar machen. Ende Juli dieses Jahres wurden im Golf von Texas etwa 12’000 Fische tot angespült, weil der Gehalt an gelöstem Sauerstoff im Wasser zu niedrig war, was ebenfalls eine Folge der raschen Erwärmung des Wassers ist. Wärmeres Wasser speichert weniger Sauerstoff und fördert zudem das Wachstum schädlicher Algenblüten, die dem Wasser zusätzlich Sauerstoff entziehen und für viele Meeresbewohner toxisch sind.

Während giftige Algenblüten durch die Hitzewellen im Meer gedeihen, leiden andere Meerespflanzen unter dem Temperaturanstieg. Seegräser etwa betreiben unter Hitzestress eine weniger effiziente Photosynthese und können im Extremfall sogar „verbrennen“. Das Neptungras (Posidonia oceanica) ist eine Seegrasart, die in riesigen Unterwasserwiesen wächst. Es ist im Mittelmeer beheimatet und ist sowohl eine enorme Kohlenstoffsenke, wie auch eine wichtige Kinderstube für Fische. Wird das Wasser aber zu warm, kann das Wachstum des Neptungrases gehemmt werden oder schlimmer noch, es kann – wie in den letzten zwei Jahrzehnten im östlichen Mittelmeer geschehen – absterben.

Selbst grosse Meeressäuger wie Wale und Delfine sind nicht immun gegen die Auswirkungen der Meereserwärmung und damit einhergehender Hitzewellen. Temperaturabweichungen können für sie erheblichen physiologischen Stress bedeuten und ihre Anfälligkeit für Krankheiten erhöhen. Wie bei den Fischen kann es vorkommen, dass ihre Beute abnimmt oder dass sich diese aus angestammten Jagdgründen entfernt, sodass die Meeressäuger gezwungen sind, andernorts zu jagen. Verstärkte Nahrungskonkurrenz oder das Fehlen alternativer Nahrungsquellen kann zu einem Rückgang des Fortpflanzungserfolgs und der Überlebensraten führen. So geschehen im Jahr 2011, als eine beispiellose Hitzewelle an der Westküste Australiens schwerwiegende Auswirkungen auf eine Population des Indopazifischen Grossen Tümmlers (Tursiops aduncus) hatte.

Da der vom Menschen verursachte Anstieg der globalen Temperaturen anhält, hat die Frage, ob und wie wir die im langfristigen Temperaturziel des Pariser Abkommens festgelegte Erwärmungsschwelle von 1,5 °C überschreiten könnten, in der Öffentlichkeit und in der Wissenschaft an Interesse gewonnen. Ein einzelnes Jahr oder sogar mehrere Jahre in Folge, in denen die Temperatur über 1,5 °C liegt, bedeutet also nicht, dass das vom Menschen verursachte Erwärmungsniveau erreicht ist, sondern stellt eine frühzeitige Warnung vor dem Risiko des Überschreitens dieser Schwelle dar. Strenge Emissionssenkungen in naher Zukunft können die Chancen erhöhen, dass die 1,5 °C nie überschritten werden. Genau aus diesem Grund engagiert sich  OceanCare sich für den Schutz der Ozeane.

OceanCare engagiert sich für den Schutz der Ozeane vor dem Klimawandel

Meeresschutz ist immer auch Klimaschutz, weil das Meer das Klima und die Wettersysteme reguliert. OceanCare ist der Ansicht, dass das globale Problem des Klimawandels auf politischer Ebene gelöst werden kann und muss. Deshalb hat die Organisation den Beobachterstatus bei der UNO-Klimarahmenkonvention (UNFCCC) beantragt und kürzlich auch erhalten. OceanCare wird in diesem wichtigen internationalen Forum zu einer starken Stimme, die dafür sensibilisiert, wie sehr die Ozeane und ihre Bewohner durch den Klimawandel bedroht werden. Im Vorfeld der UNFCCC-Konferenz COP 27 legten wir einen umfassenden Bericht über die Auswirkungen der Klimakrise auf das Mittelmeer sowie über das Ausmass der weiteren Öl- und Gasförderung in der Region vor.

Auch in zahlreichen weiteren internationalen Gremien auf UNO- wie auch anderer Ebene adressiert OceanCare die Problematik des Klimawandels und fordert konkrete Massnahmen wie:

  • Geschwindigkeitsreduktion in der Schifffahrt
    Viele der Themen, an denen OceanCare arbeitet, stehen im Zusammenhang mit dem Bemühen, Treibhausgasemissionen zu reduzieren. Etwa das Programm für die Forderung einer Geschwindigkeitsreduktion in der Schifffahrt. Schiffe sollen das Tempo drosseln, denn bereits eine Senkung der durchschnittlichen Fahrtgeschwindigkeit der globalen Schifffahrtsflotte um 10 Prozent kann signifikant zur Reduktion von Treibhausgas- und Unterwasserlärmemissionen beitragen und zudem das Risiko von Kollisionen mit Walen um rund 50 Prozent senken. OceanCare setzt sich in internationalen Gremien wie der Internationalen Seeschifffahrtsorganisation (IMO) für die Verringerung des ökologischen Fussabdrucks der Schifffahrt ein.
  • Eindämmung von Unterwasserlärm
    Der Widerstand gegen die Ausbeutung weiterer Erdöl- und Erdgasvorkommen wird immer wichtiger. Es braucht eine Transformation des Energiesektors und eine vollständige Abkehr von fossilen Brennstoffen. Eine Schwerpunktregion bei der Verhinderung der Öl- und Gassuche ist für OceanCare das Mittelmeer. Die Öl- und Gasindustrie nutzt Schallkanonen, um den Meeresboden geophysikalisch zu untersuchen und Öl- oder Gasvorkommen zu finden. Das erzeugt Schallwellen, die im Meerwasser hunderte oder tausende Meter durchdringen, bevor sie mehr als hundert Kilometer tief in den Meeresboden eindringen. Solche seismischen Aktivitäten sind extrem gefährlich und können Meerestiere vertreiben oder töten. Die Fortsetzung seismischer Aktivitäten im Meer zur Erschliessung neuer Öl- und Gasvorkommen muss aus Klimaschutzgründen, aber auch zur Erhaltung mariner Arten untersagt werden. Nach jahrelangen Bestrebungen seitens OceanCare, verbot die spanische Regierung im Mai 2021 die Suche nach Öl- und Gasvorkommen in spanischen Gewässern. Vergleichbare Verbote sind in Dänemark, Frankreich, Neuseeland und Portugal in Kraft.
  • Meeres-Geoengineering – eine falsche Lösung
    OceanCare ist auch sehr besorgt über die möglichen Auswirkungen auf die Meere und die Polargebiete, die sich aus den so genannten „Marine Geoengineering“-Technologien ergeben könnten. Falsche Lösungen wie die Aufhellung von Meereswolken tragen nicht dazu bei, die dreifache Krise des Planeten – Klimawandel, Verlust der Biodiversität und Umweltverschmutzung – zu bekämpfen. OceanCare überwacht und bekämpft diese gefährlichen Ablenkungsmanöver aktiv und fördert gleichzeitig echte Lösungen für das Klima.
  • Reduktion der Plastikverschmutzung in den Meeren
    Auch die Klimakrise und die Plastikverschmutzung haben miteinander zu tun. Der Plastikmüll in den Meeren hemmt das Wachstum und die Photosyntheseleistung von Prochlorococcus-Bakterien, die rund zehn Prozent des globalen Sauerstoffs produzieren. Ausserdem zeigen wissenschaftliche Studien, dass das Phytoplankton immer grössere Mengen an Mikroplastik aufnimmt, was dessen Fähigkeit zur Absorbtion von Kohlenstoff verringert. Anhand der Meeresverschmutzung durch sogenannte „Geisternetze“, die Millionen von Meerestieren töten, illustriert OceanCare das Ausmass der Plastikverschmutzung im Meer. Bei den internationalen Verhandlungen über ein neues globales Plastikabkommen (INC-2) forderte OceanCare in Paris die Reduktion von herrenlosem Fischereigerät als zentrale Verpflichtung festzulegen, die national und international gelten und eine Beschränkung von Fanggeräten sowie die Meldung und Wiederauffindung verlorener Fanggeräte einschliesen soll. Damit Plastik gar nicht erst in die Meere gelangt, setzt sich OceanCare bei den Verhandlungen für ein Plastikabkommen auch dafür ein, dass Plastik entlang des gesamten Lebenszyklus reduziert wird. Durch Verringerung von Meeresmüll soll der Druck auf marine Arten reduziert werden, die kumulativen Gefahren wie eben u.a. klimatischen Veränderungen und Hitzewellen im Meer ausgesetzt sind. Die Herstellung von Kunststoffen erfordert auch viel Energie und setzt grosse Mengen an CO2 frei, was die Klimakrise weiter verschärft.
  • Zeitnahe und verlässliche Forschungsdaten aus dem Meer
    Einer der vielen wertvollen Gründe, weshalb OceanCare Forschungsorganisationen unterstützt und mit ihnen zusammenarbeitet, ist sicherzustellen, dass was auf See geschieht nicht unbemerkt bleibt, bis es zu spät ist zu reagieren. Von Partnerorganisationen erhält OceanCare regelmässig aktuellste Informationen zu einer Vielzahl von Meerestierarten und zum Zustand von Lebensräumen. Diese Informationen nutzen wir strategisch, um national und international auf die Politik und die Entscheidungsfindung einzuwirken. OceanCare fungiert oft als Frühwarnsystem und macht internationale Gremien, Regierungen und die Industrie auf aufkommende Probleme aufmerksam – so auch die Auswirkungen von Hitzewellen auf das Meeresleben.