Medienmitteilung

Int. Meeresbodenbehörde (ISA): Regierungen entscheiden über das Schicksal der Tiefsee

17. Juli 2023

Seit Montag, 10. Juli, beraten die Staaten bei der Internationalen Meeresbodenbehörde (ISA) in Kingston, Jamaika, über die mögliche Zulassung des umstrittenen Tiefseebergbaus. Die Sitzung des Rates, der sich aus 36 Staaten zusammensetzt, endet am 21. Juli. Anschliessend tagt vom 24. bis 28. Juli die Versammlung, das oberste Gremium der ISA, das sich aus allen 168 Vertragsstaaten (und der Europäischen Union) des Seerechtsübereinkommens der Vereinten Nationen (UNCLOS) zusammensetzt und in dem alle ISA-Mitglieder allgemeine Strategien für das verabschieden können, was per Definition als ‘gemeinsames Erbe der Menschheit’ gilt – die Tiefsee

Gegenstand intensiver Debatten ist die so genannte ‘Zwei-Jahres-Regel’, die von der Republik Nauru 2021 ausgelöst wurde und welche Staaten unter Druck setzt, entweder innerhalb von 24 Monaten ein Regelwerk für den Tiefseebergbau zu verabschieden oder die vorläufige Genehmigung von Anträgen zu erwägen, die nach Ablauf der Zweijahresfrist eingereicht werden. Diese Frist ist nun abgelaufen und alle Augen richten sich auf die ISA, wie sie mit dieser Situation umgehen wird.

Es besteht die ernste Gefahr, dass die ISA eine verhängnisvolle Entscheidung trifft, die den internationalen Meeresboden – ein globales Gemeingut – für eine schädliche und spekulative neue Rohstoffindustrie öffnen würde: den Tiefseebergbau. OceanCare ist weiterhin äusserst besorgt über die irreversiblen Schäden, die durch industrielle Explorations- und Ausbeutungsaktivitäten verursacht werden, die ein immenses Risiko für empfindliche Ökosysteme darstellen, einschliesslich der katastrophalen Umweltauswirkungen, die der Tiefseebergbau verursachen könnte.

In der Tat kann es passieren, dass Tiefseebergbauaktivitäten genehmigt werden können, obwohl es keine umfassenden wissenschaftlichen Erkenntnisse über die Auswirkungen des Tiefseebergbaus gibt und keine einheitlichen Vorschriften vorhanden sind. Der Weg für die industrielle Ausbeutung der Tiefsee, die als grösste Quelle der Arten- und Ökosystemvielfalt auf der Erde gilt und potenziell Millionen von unentdeckten Arten beherbergt, wäre somit frei.

„Wir wissen noch sehr wenig über die Ökosysteme der Tiefsee, aber das, was wir wissen, gibt Anlass zu grösster Vorsicht. Die Genehmigung von Tiefseebergbau, ohne die Umweltauswirkungen quantifizieren zu können, würde zu einem dramatischen Verlust der Artenvielfalt und zu irreversiblen Umweltschäden führen, darunter das Aussterben von Arten, die Zerstörung von Lebensräumen, Sedimentstürme, Abwasserentsorgung, Lärm und Lichtverschmutzung“, sagt Nicolas Entrup, Direktor internationale Zusammenarbeit bei OceanCare, und fügt hinzu, dass „diese zerstörerische Aktivität die Tiefsee-Ökosysteme und die Lebensgrundlage derjenigen, die auf einen gesunden Ozean angewiesen sind, für kommende Generationen schädigen würde“.

OceanCare bleibt jedoch optimistisch, dass es noch nicht zu spät ist und setzt sich weiterhin für die Anwendung des Vorsorgeprinzips ein und fordert die Regierungen auf, ein Moratorium für den Tiefseebergbau zu unterstützen. Erfreulicherweise gibt es eine wachsende Zahl von Staaten, darunter zuletzt die Schweiz, Brasilien, Finnland, Irland, Kanada und Portugal, die sich unter den derzeitigen Umständen gegen den Tiefseebergbau aussprechen. Auch aus der Wissenschaft und der Fischereiindustrie gibt es starke Stimmen, die sich dieser Meinung anschliessen. Weltweit führende Unternehmen wie BMW, Volkswagen und Volvo, also Unternehmen, die auf Rohstoffe für die grüne Transformation angewiesen sind, haben die Forderung nach einem Moratorium ebenfalls unterstützt.

Um die Meeresumwelt wirksam zu schützen, braucht es die Anwendung des Vorsorgeprinzips, also die Aussetzung des Tiefseebergbaus, bis ein besseres wissenschaftliches Verständnis ihrer Auswirkungen vorliegt und ein wirksamer Schutz der Meeresumwelt vor den schädlichen Auswirkungen solcher Aktivitäten gewährleistet werden kann. Eine Genehmigung für Tiefseebergbaus ist auch nicht mit dem Kunming-Montreal Global Biodiversity Framework und dem kürzlich verabschiedeten UN-Übereinkommen über die biologische Vielfalt der Meere jenseits der nationalen Gerichtsbarkeit (BBNJ) vereinbar.

Solange es keine einheitlichen Vorschriften, keine umfassenden wissenschaftlichen Erkenntnisse über Tiefsee-Ökosysteme und keine Garantien dafür gibt, dass der Tiefseebergbau der Meeresumwelt keinen Schaden zufügt, sollte der Tiefseebergbau nicht betrieben werden dürfen.

„Wir können einfach nicht zulassen, dass Regierungen die Tiefsee zerstören, wenn sie gleichzeitig Beschlüsse und Verpflichtungen zum Schutz der biologischen Vielfalt der Meere in internationalen Gewässern und darüber hinaus angenommen haben“, so Entrup. „Die Tiefsee ist das empfindlichste und am wenigsten bekannte Ökosystem unseres Planeten – wir dürfen die irreversiblen Fehler, die an Land gemacht wurden, nicht wiederholen.”

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