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Fischkonsum: Weniger Fisch ist Meer!

05. Oktober 2021

Der weltweite Fischkonsum wächst rasant – und verursacht heftige Probleme. In der Schweiz sind Lachs und Crevetten besonders beliebt.

Fisch gehört zu den wertvollsten Nahrungsmitteln. Er liefert hochwertiges Eiweiss, wichtige Nährstoffe und die berühmten Omega-3-Fettsäuren. Kein Ernährungsberater, der – ungeachtet der Überfischung der Weltmeere – die regelmässige Fischmahlzeit nicht wärmstens empfehlen würde.

Dennoch erstaunt die anhaltend rasante Zunahme des globalen Fischkonsums. Kein anderer tierischer Eiweisslieferant kann mit diesem Wachstumstempo mithalten, egal ob Fleisch, Eier oder Milchprodukte. Mit einem jährlichen Zuwachs von 3,1 Prozent seit 1961 ist der Fischverzehr schneller gewachsen als die Weltbevölkerung. Der Pro-Kopf-Konsum kletterte von 9 Kilogramm 1961 auf zuletzt 20,3 Kilogramm für jeden Erdenbürger; so der Fischereibericht 2020 der Welternährungsorganisation.

Doch die Verteilung der Beute könnte unterschiedlicher nicht sein. In Ländern wie Äthiopien, Tadschikistan oder in der Mongolei werden nicht einmal ein Kilogramm Fisch pro Kopf und Jahr gegessen. In Island, Japan oder in Inselstaaten wie Kiribati ist der Konsum dagegen 100-mal höher. Er hängt von der Ernährungskultur und Geographie ab, von der Nähe zur Küste. Aber er ist auch eine Frage des Geldbeutels: Reiche Länder essen mit 24,4 Kilogramm pro Kopf sehr viel mehr Fisch als die am wenigsten entwickelten Länder (12,6 kg).

Für die einen ist Fisch eine schicke Mahlzeit, für andere überlebenswichtig. In Ländern wie Bangladesch, Kambodscha, Gambia, Ghana, Indonesien, Sierra Leone und in den kleinen Inselstaaten ist Fisch der wichtigste Eiweisslieferant. Umso problematischer ist die Plünderung der Fanggründe an den Küsten des Südens durch die Fischtrawler des Nordens.

Westafrikanische Fischer, die immer weniger Fisch fangen, wildern in der Not bedrohte Tiere: Meeresschildkröten, Delfine, Seekühe, Sumpfantilopen, Wasservögel, aber auch Krokodile, Varane und Schlangen. 90 Prozent der Beute werden zur Einkommenssicherung verkauft, der Rest dient der Eigenversorgung. Das belegen Interviews mit 120 Fischern aus Benin und Togo.

Die Organisation Brot für die Welt warnt: „Nahrung aus den Weltmeeren muss als proteinreiches Angebot und zum Lebensunterhalt von Menschen im Globalen Süden unbedingt erhalten bleiben.“

Und die Schweiz?

In der Schweiz wird relativ wenig Fisch gegessen: 2020 verzehrte jeder Einwohner laut Statista rund neun Kilogramm Fisch und Schalentiere, davon wurden 96 Prozent importiert. Trotz des kleinen Fischmarkts verzeichnete auch die Schweiz beim Fischkonsum in den vergangenen 25 Jahren ein kräftiges Wachstum von 60 Prozent. Lachs (3.300 Tonnen) und Crevetten (2.500 Tonnen) sind die beliebtesten Produkte.

Bei heimischen Süsswasserfischen ist die Forelle Spitzenreiter vor Egli und Zander. Viele Schweizer Kunden achten beim Fischkauf allerdings nicht auf Herkunft, Regionalität oder Nachhaltigkeit. Ihnen ist nicht bewusst, was Nachhaltigkeit bei Fischprodukten überhaupt bedeutet, wie Forscher herausfanden. Die 200 Fischerei- und Fischzuchtbetriebe der Schweiz erzeugen rund 1.700 Tonnen verkaufsfertigen Fisch aus einer Fangmenge von 3.500 Tonnen. 75.000 Tonnen Fisch- und Fischprodukte werden importiert. Mehr als die Hälfte des Fischverzehrs läuft über die Gastronomie.

Hoffnung auf ewiges Wachstum

Dass der globale Fischkonsum weiter zunimmt, ist für die Welternährungsorganisation FAO fast selbstverständlich. Der Pro-Kopf-Verzehr soll bis 2030 auf 21,5 Kilogramm steigen. Bei über acht Milliarden Menschen müssen die Fische dann unter immer mehr Köpfen aufgeteilt werden. Weil der Wildfang schon lange stagniert, wird die Aquakultur zum wichtigsten Lieferanten mit all ihren Problemen:

  • Das Futter der Zuchtfische mit reichlich Fischmehl und Soja ist nicht nachhaltig;
  • Der Einsatz von Chemikalien und Arzneimitteln gegen Algen, Parasiten und Fischkrankheiten ist dramatisch;
  • Millionen Fische, die aus den Netzgehegen entweichen, gefährden die Wildpopulationen.
  • Ausbildung und Expertise der Betreiber von Fischzuchten sind oft unzureichend.
  • Das Fischwohl ist in vielen Anlagen nicht gewährleistet.

Die meisten Fischesser scheint das wenig zu stören. Für sie sind die Gräten das Hauptproblem. Doch Fisch ist ein zunehmend heikles Lebensmittel mit einem grossen sozialen und ökologischen Rucksack. OceanCare empfiehlt deshalb den grundsätzlichen Verzicht auf Fischmahlzeiten. Fische sollen jenen Menschen gehören, die sie dringend brauchen.