Medienmitteilung

Trotz Gesundheitsgefährdung – Bundesrat will Einwegplastik nicht regulieren

09. März 2023

Streitpunkt Plastikverschmutzung in der Schweiz. Vier eidg. ParlamentarierInnen sind Mitte Dezember 2022 mit sechs Interpellationen und kritischen Fragen zu unterschiedlichen Aspekten des Plastikproblems an den Bundesrat gelangt. Im Zentrum der Anfragen stehen die Gesundheitsgefährdung, das Littering, die Überwachung des Kunstoffverbrauchs und -abfalls und der Klimaschutz. Nun liegen die Antworten des Bundesrates vor: dabei widerspricht er sich selbst und bremst dringend notwendige Veränderungen aus.

  • Bundesrat anerkennt: Plastik gefährdet die Umwelt und die Gesundheit
  • Kein Monitoring geplant trotz Aufsichtspflicht und Umweltverschmutzung
  • Schweiz wird Vorreiterrolle nicht gerecht: schleppende Massnahmen in der Schweiz hinken
    dem internationalen Engagement des Landes hinterher
  • Parlament drängt erneut auf Anwendung der Gesetze, Bundesrat blockiert

 

Mit 127 Kilo pro Kopf jährlich gehört die Schweiz weltweit zu Spitzenreitern im Plastik-Verbrauch. Jedes Jahr gelangen 14’000 Tonnen Makro- und Mikroplastik in die Schweizer Umwelt. Littering kostet das Land jährlich rund 200 Millionen Franken. Der vermeintliche Recycling-Weltmeister Schweiz verbrennt 85 – 90 % seiner Plastikabfälle. Die Schweizer Bevölkerung wünscht sich klar Interventionen, wie eine Umfrage vom Sommer letzten Jahres zeigte.

Parlament drängt – Bundesrat blockiert.

Mitte Dezember hatten Nationalräte und Nationalrätinnen verschiedener Parteien, darunter Ursula Schneider Schüttel (SP) Niklaus-Samuel Gugger (Die Mitte, EVP), Beat Flach (Grünliberale) und Manuela Weichelt (Grüne) sechs Interpellationen eingereicht, um Auskunft zu den Massnahmen gegen Plastikverschmutzung zu erhalten und den Bundesrat aufzufordern, bei diversen Unklarheiten Stellung zu beziehen. Der Bundesrat wird damit aufgefordert, zu diversen Unklarheiten Stellung zu beziehen. Kurz vor Beginn der am Montag, 27. Februar beginnenden Frühlingssession hat der Bundesrat geantwortet.

Mikroplastik ist gesundheitsgefährdend, Plastik schadet der Umwelt und dem Klima.

In seiner Antwort anerkennt der Bundesrat, dass gewisse Zusatzstoffe in Kunstoffprodukten gesundheitsgefährdend sind. Im Fokus stehen insbesondere Mikroplastik und die Stoffklasse der Phthalate (Weichmacher). Auch steht für den Bundesrat ausser Frage, dass der «hohe Kunststoffverbrauch zur Verschmutzung der Umwelt, dem Verlust der Biodiversität und zum Klimawandel» beiträgt. In der Schweiz seien heute zahlreiche Massnahmen auf verschiedenen Ebenen beschlossen und umgesetzt worden, um die sichere Verwendung von Kunstoffen zu gewährleisten und die Belastung der Umwelt zu reduzieren, sagt der Bundesrat in seiner Antwort. Schon zuvor kam der Bundesrat in seinem Bericht «Kunstoffe in der Umwelt» (September 2022) zum Schluss: die bisher ergriffenen Massnahmen genügen nicht, «um die Kunstoffeinträge in die Umwelt so weit zu reduzieren, dass Menschen, Tiere und Pflanzen vor schädlichen oder lästigen Einwirkungen dauerhaft geschützt sind».

Der Bundesrat hält deshalb auch fest, dass im Hinblick auf den Klimaschutz sowohl auf nationaler wie auf internationaler Ebene weiterhin Verbesserungspotential besteht. Konkret nennt er folgendes Verbesserungspotential: «Förderung der Abfallvermeidung (z.B. Redaktion von Einwegprodukten aus Kunststoff) und des hochwertigen Recyclings sowie Entwicklung von kreislauffähigen Materialien (z.B. besseres Ökodesign von Kunststoffprodukten) und umweltschonenden Alternativen. Littering und Kunststoffe in Grüngutabfällen können ebenfalls angegangen und vermieden werden.»

Kontrolle unerwünscht.

Eine Handlungsanweisung leitet der Bundesrat daraus jedoch nicht ab. Vielmehr wolle man die Wirtschaft auch künftig keinesfalls regulieren. Ein Verbot sei «ein zu starker Eingriff in die Wirtschaftsfreiheit» heisst es. So setzt der Rat weiter auf die Freiwilligkeit der Branchen, um Plastikentsorgung zu kontrollieren. Mehr noch: Der Bundesrat spricht sich auch gegen ein Monitoring, das die Branchen überwachen würde und in die Pflicht nehmen würde, ausdrücklich aus.. Man vertraue auf die Selbstkontrolle der Wirtschaft und wolle keine Daten erheben, da dies zu aufwändig sei und die Kosten zu hoch. Dem gegenüber steht die Aussage des Bundesrates dass «…der Bund vor dem Erlass von Ausführungsvorschriften gemäss Artikel 41a Absatz 3 USG eigenverantwortliche Massnahmen der Wirtschaft zu prüfen» hat.

«Das Problem zu benennen, aber trotzdem nicht zu handeln, ist eigentlich absurd und fahrlässig. Der Bundesrat sagt mit seinen Antworten klar: Diejenigen, die zu kontrollieren wären, sollen sich selbst beaufsichtigen. Dies ist ein politischer Freibrief für die Branche, um nach Belieben schalten und walten zu können,» so Fabienne McLellan, Geschäftsführerin von OceanCare und ergänzt «dass die Freiwilligkeit in diesem Bereich nicht funktioniert, zeigt der Ist-Zustand, denn sonst hätten wir die Probleme nicht, die der Bundesrat selbst bestätigt».

Erneut blockiert der Bundesrat damit die Eingaben der ParlamentarierInnen, wie bereits bei mehr als 70 früheren Vorstössen. Seit vielen Jahren bringen ParlamentarierInnen ihre Forderung nach Schritten gegen die Plastikvermüllung erfolglos vor. Schlimmer noch: Der Bundesrat ignoriert mit dieser Maxime auch den Wunsch der Bevölkerung, bestehende Gesetze anzuwenden und nimmt eine Gesundheitsgefährung in Kauf.

Engagement nur auf internationaler Bühne.

Der Bundesrat verweist auf die internationale Vorreiterrolle der Schweiz, denn sie «setzt sich für die Schaffung eines international rechtsverbindlichen Abkommens zur Eindämmung der Umweltbelastung durch Kunststoffe ein». Während die Schweiz international als Teil der High Ambition Coalition in der Tat treibende Kraft ist, damit die «bis 2030 keine Kunststoffe mehr in die Umwelt gelangen», vermisst OceanCare auf nationaler Ebene verbindliche regulative Massnahmen. Faktisch verschiebt der Bundesrat Handlungen im eigenen Land auf später: «Auf internationaler Ebene soll die angestrebte Plastikkonvention dazu beitragen, dass die Umweltbelastung durch Kunststoffe reduziert wird und die Schweiz Massnahmen im Einklang mit der internationalen Gemeinschaft ergreifen kann», heisst es. So weist der Bundesrat die Schweiz an, nicht mit eigenen Vorhaben innerhalb Europas vorzupreschen. Dabei haben andere europäische Staaten längst weitreichende Massnahmen ergriffen, um in ihren Ländern Plastik einzudämmen. Dazu gehören insbesondere auch Verbote für gewisse Stoffe und Produkte, auf welche problemlos verzichtet werden kann.

«Die Antworten des Bundesrats sind widersprüchlich und zeigen eine gewisse Hilflosigkeit. Obwohl der Bundesrat Plastik als gesundheitsgefährdend anerkennt, möchte er Produktion und Entsorgung nicht regulieren. Faktisch lässt man also die Verursacher eines gesundheitsgefährdenden Stoffes und die, die für seine Entsorgung verantwortlich sind, sich selbst kontrollieren. Die Politik hat jedoch einen anderen Auftrag: Sie soll handeln.»