Medienmitteilung

80. Sitzung des IMO-Umweltausschusses beendet

07. Juli 2023
Kritik und Fortschritt bei entscheidenden Fragen zur Dekarbonisierung der Schifffahrt und dem Schutz von Walen vor Kollisionen
  • Bedeutende, jedoch unzureichende Fortschritte in Fragen der Dekarbonisierungsstrategie der IMO. Unwahrscheinlich, dass Schifffahrt zur Erreichung des Zieles die Erderwärmung auf 1,5 Grad zu beschränken, entsprechend beitragen wird.
  • Neue aktualisierte Leitlinien zur Reduzierung des Unterwasserlärms durch den Seeverkehr verabschiedet, jedoch weiterhin auf freiwilliger Basis.
  • Die Ernennung des nordwestlichen Mittelmeers zur Schutzzone (PSSA), um das Kollisionsrisiko mit Walen zu reduzieren, ist ein Meilenstein. Leider bleibt die Temporeduktion eine freiwillige Empfehlung.
  • Trotz proaktiver Initiativer der Schifffahrtsindustrie, lässt Sri Lanka den Vorstoss zum Schutz der Blauwale im Indischen Ozean vor Schiffskollisionen scheitern.
  • Breite Zustimmung, über die Ernennung eines Emissionskontrollgebiets in der kanadischen Arktis zu verhandeln.

Trotz einiger bedeutender Fortschritte bleibt das tatsächliche Engagement der Internationalen Seeschifffahrtsorganisation (IMO) der Vereinten Nationen für die Dekarbonisierung der Schifffahrt und den Schutz von Grosswalen vor Kollisionen und Unterwasserlärm nach wie vor unzureichend, so das generelle Fazit der internationalen Meeresschutzorganisation OceanCare, die an der 80. Sitzung des Umweltausschusses (MEPC) der IMO teilnahm.

“Der starke Widerstand innerhalb der IMO gegen das Ziel bis zum Jahr 2050 die Treibhausgasemissionen der Schifffahrt auf 0 zu reduzieren und für 2030 und 2040 ambitionierte Zwischenreduktionsziele festzulegen, die auf wissenschaftlichen Empfehlungen basieren, ist absolut unverantwortlich, auch wenn man grosse Fortschritte gegenüber der ursprünglichen Zielsetzung erreichen konnte. Es ist daher äusserst unwahrscheinlich, dass die Schifffahrt einen signifikanten Beitrag zur Begrenzung des globalen Temperaturanstiegs auf 1,5°C leisten kann“, beklagt Carlos Bravo, Ocean Policy Experte bei OceanCare, der am MEPC80 teilnahm, das Verhandlungsresultat.

Nach mehrtägigen Verhandlungen im Vorfeld des MEPC 80 und auch während dieses Treffens wurden die Ziele der IMO-Strategie zur Reduzierung der Treibhausgasemissionen (THG) der Schifffahrt verbessert, wenn auch unzureichend und mit bewusst zweideutiger Formulierung

Einerseits hat es sich von dem Ziel, die Treibhausgasemissionen von Schiffen bis 2050 um 50 % zu reduzieren, zu einem Ziel von „Netto-Null bis [2050] oder [ungefähr zur Mitte des Jahrhunderts]“ entwickelt. „Es ist unklar, welche Auswirkungen „Netto-Null“ hat, da es die Tür für unerwünschte Praktiken wie Kompensationen (offsetting) oder undurchführbare Massnahmen zur CO2-Abscheidung und -Speicherung öffnen könnte“, sagt Bravo.

Andererseits ist statt klarer und präziser Ziele für 2030 und 2040 die Rede von „indikativen Kontrollpunkten“ von „20 % bzw. 30 % bis 2030 anstrebend“ und „70 % bzw. 80 % bis 2040 anstrebend“.

Auch der Vorschlag der Marshall Inseln, eine Besteuerung von 100 US-Dollar pro ausgestossener Tonne CO2 zu erheben, um den Übergang von fossilen Brennstoffen zu emissionsfreien erneuerbaren Kraftstoffen zu beschleunigen, stiess auf den Widerstand von China, Brasilien, Indien und anderen Ländern und wurde folglich abgelehnt.

Im Vergleich dazu zielt der Dekarbonisierungspfad für die Schifffahrt, der mit der Science Based Targets Initiative (SBTi) kompatibel ist, darauf ab, die Treibhausgasemissionen dieses Sektors bis 2030 um mindestens 36 % und bis 2040 um mindestens 96 % zu reduzieren

Dondra Head: Blauwale sterben weiterhin aufgrund von Kollisionen mit Schiffen aufgrund der Unvernunft der Regierung Sri Lankas

„Besonders schmerzhaft war die Tatsache, dass die IMO nicht in der Lage war, Sri Lanka zur Besinnung zu bringen und nach zehn Jahren völliger Untätigkeit über die dringliche Änderung des Standorts des Dondra Head Traffic Separation Scheme (TSS) zu diskutieren. Diese Änderung wurde von den grossen Verbänden der Schifffahrtsindustrie, NGOs und einer grossen Mehrheit der Mitgliedsländer, mit der Absicht dutzende Todesfälle von Blauwalen pro Jahr zu verhindern, gefordert“, sagt Nicolas Entrup, Direktor für Internationale Zusammenarbeit bei OceanCare.

Die Regierungsdelegation Sri Lankas lehnte sogar mit alleiniger Unterstützung Chinas, Pakistans, Bangladeschs, Indiens und Algeriens entschieden die Prüfung des vom International Fund for Animal Welfare (IFAW), der Internationalen Walfangkommission (IWC) und den wichtigsten repräsentativen Verbänden der Schifffahrtsindustrie wie der World Shipping Council (WSC), der International Chamber of Shipping (ICS), des Baltic and International Maritime Council (BIMCO), der International Association of Independent Tanker Owners (INTERTANKO) und der International Association of Dry Cargo Shipowners (INTERCARGO), Cruise Lines International Association (CLIA), International Parcel Tankers Association (IPTA) vorgelegten Dokuments ab.

Schätzungsweise 30–60 Blauwale sind in den letzten Jahren vor der Küste Sri Lankas jährlich durch Kollisionen mit Schiffen ums Leben gekommen. Aufgrund der Meeresströmungen und Winde im Süden des Landes treiben viele der getöteten Wale wahrscheinlich ab und sinken, bevor sie die Strände erreichen. Daher werden nur wenige von ihnen entdeckt. Dennoch sind die Strandungsraten, insbesondere entlang der Südküste Sri Lankas, hoch, vor allem bei Blauwalen. Bei den Fällen, in denen die Todesursache festgestellt werden konnte, handelte es sich um Kollisionen mit Schiffen.

Erzielte Fortschritte

Folgende positive Punkte sind erwähnenswert:

  • Die Ernennung des nordwestlichen Mittelmeers zur Schutzzone (PSSA), um das Kollisionsrisiko mit Walen zu reduzieren, ist ein Meilenstein. Leider bleibt die Temporeduktion eine freiwillige Empfehlung.

Das PSSA-Gebiet umfasst die Gewässer zwischen Valencia und Genua, die von Walforschern als wichtige Lebensräume für Finn- und Pottwale identifiziert wurden. Zu diesen zählen der Mittelmeer-Wanderungskorridor für Wale, der sich zwischen der Küste Kataloniens und Valencias sowie den Balearen befindet, das Walschutzgebiet Pelagos im Ligurischen Meer und die für Meeressäuger besonders wichtigen Gebiete (IMMA) des „Golf von Lion“ und „Gräben des Nordwestlichen Mittelmeers“.

Zu den Schutzmassnahmen, die mit der Ernennung des PSSA verbunden sind, gehört die Empfehlung an Seeleute, „innerhalb des PSSA des nordwestlichen Mittelmeers in Gebieten, in denen die Anwesenheit grosser und mittelgrosser Wale festgestellt oder gemeldet wird, mit besonderer Vorsicht zu navigieren und deren Geschwindigkeit auf 10 bis 13 Knoten zu reduzieren als freiwillige Geschwindigkeitsreduktion (VSR)“.

  • Neue aktualisierte Leitlinien zur Reduzierung des Unterwasserlärms durch den Seeverkehr werden verabschiedet, jedoch weiterhin auf freiwilliger Basis

Die Hauptursache von Unterwasserlärm bei Schiffen ist die von den Propellern erzeugte Kavitation. Angesichts dieser Herausforderung hat die Internationale Seeschifffahrtsorganisation (IMO) im Jahr 2014 Richtlinien zur Reduzierung von Unterwasserlärm verabschiedet. Bedauerlicherweise blieben diese Richtlinien aufgrund ihres freiwilligen Charakters wirkungslos, da keine Regierung sie umgesetzt hat. Als Reaktion auf dieses Scheitern hat eine Gruppe von Ländern unter der Führung Kanadas während der 75. Sitzung des MEPC im Dezember 2019 einen Vorschlag eingebracht. Dieser Vorschlag sieht vor, einen Überprüfungsprozess für die bestehenden Richtlinien einzuleiten.

Eine bestimmte prozentuale Reduzierung der Schiffsgeschwindigkeit, die je nach Schiffstyp und -kategorie variieren kann, ist eine Massnahme, die obligatorisch enthalten sein sollte. Wissenschaftler haben festgestellt, dass der Schiffslärm weltweit um 40% Prozent reduziert werden könnte, wenn die Schiffsgeschwindigkeit der globalen Flotte um nur 10% Prozent reduziert wird.

Eine weltweite Untersuchung hat gezeigt, dass nur durch die Einführung einer verpflichtenden Regelung zur Geschwindigkeitsbegrenzung signifikante Fortschritte bei der Reduzierung tödlicher Kollisionen von Walen erzielt werden können. Eine verpflichtende Massnahme würde zudem gleiche Wettbewerbsbedingungen für alle Reedereien schaffen.

  • Kanada erhält breite Unterstützung für seinen Vorschlag, beim nächsten MEPC Treffen eine Emissionskontrollzone in der kanadischen Arktis einzurichten.

Kanadas Vorschlag basiert auf der unbestrittenen Notwendigkeit, die Emissionen von Stickoxiden, Schwefeloxiden, Partikeln und Russ von Schiffen in diesem ökologisch wertvollen und äusserst gefährdeten Gebiet zu verhindern, zu reduzieren und zu kontrollieren.