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Höchste Zeit für entschlossenes Handeln im Schutz des Klimas und der Meere

29. Oktober 2021

Unsere Ozeane sind weit mehr als ein Zuhause für eine erstaunliche Vielfalt an Lebewesen und eine äusserst wichtige Nahrungsquelle für uns. Sie spielen auch eine entscheidende Rolle in der Klimaregulation und speichern grosse Mengen der überschüssigen Wärme, die sich seit vorindustrieller Zeit im Erdsystem angesammelt hat. Ausserdem nehmen sie einen bedeutenden Anteil des anthropogenen CO2 auf, wodurch sie es der Atmosphäre entziehen und eine noch stärkere Erwärmung verhindern. All diese Dienstleistungen des Ozeans werden in Zeiten des Klimawandels immer wichtiger – und gleichzeitig sind sie selbst immer stärker gefährdet.

Ein Jahrhundert voller Veränderungen und ein dringender Appell ans Handeln

Der kürzlich veröffentlichte 6. Sachstandsbericht des Weltklimarates (IPCC) besagt unmissverständlich, dass der menschgemachte Klimawandel überall schnell voranschreitet und sich verschärft. Und dass er viele wichtige Aspekte und Funktionen des Ozeans beeinträchtigt.

Die heutigen CO2-Werte in der Atmosphäre liegen höher als zu jedem anderen Zeitpunkt in den vergangenen 2 Millionen Jahren – oder, mit den Worten des renommierten Klimaforschers Erich Fischer, «höher als jemals zuvor in der Menschheitsgeschichte». Wenn nicht unverzüglich eine starke Reduktion von CO2 und anderen Treibhausgasen eintritt, hängt auch das 1.5- oder 2-Grad-Ziel des Pariser Klimaabkommens am seidenen Faden, und wir werden diese Grenzen noch im Laufe des 21. Jahrhunderts überschreiten. Doch selbst wenn wir eine starke Reduktion hinbekommen, wird es für manche Veränderungen kein Zurück mehr geben, und sie werden noch über Jahrhunderte, wenn nicht Jahrtausende hinweg irreversibel bleiben. Dies gilt besonders für Veränderungen in den Ozeanen. Beispiele hierfür sind das Abschmelzen der grossen Eisschilde, der globale Anstieg des Meeresspiegels sowie die Erwärmung, Versauerung und Sauerstoffarmut der Ozeane.

Das Meer bekommt die Folgen des Klimawandels auf verschiedenen Ebenen zu spüren. Einerseits ist da die stete Erwärmung, welche über das letzte Jahrhundert so schnell zunahm wie nie zuvor seit dem Ende der letzten Kaltzeit (vor etwa 11’000 Jahren). Neben der graduellen Erwärmung der Ozeane nehmen auch extreme Temperaturereignisse, sogenannte marine Hitzewellen, zu. Heutzutage treten sie bereits doppelt so häufig auf wie noch in den 1980er Jahren, und Modelle sagen voraus, dass sie in Zukunft noch häufiger, länger und intensiver werden. Dies kann für verschiedene Lebewesen verheerende Folgen haben, besonders für die temperaturempfindlichen Korallen. Neben Korallenbleichen können marine Hitzewellen aber auch Veränderungen in der Primärproduktion, Verschiebungen in der Zusammensetzung und Verteilung von Arten, giftige Algenblüten und Einbrüche in Fischereierträgen verursachen.

Hinzu kommt die Versauerung der Ozeane. Der pH-Wert, den wir heute in den Ozeanen messen, ist so niedrig wie kaum einmal während der letzten 2 Millionen Jahre, und er wird voraussichtlich weiter sinken. Dies ist ein weiterer harter Schlag für die Korallen und schadet auch vielen anderen kalkbildenden Lebewesen, darunter wichtige Phytoplanktonarten, Bryozoen, Krebstieren wie zum Beispiel Krabben, Weichtieren wie Tintenfischen oder Austern und Stachelhäutern wie Seesternen.

Hinzu kommt, dass der Sauerstoffgehalt an der Oberfläche der Ozeane abnimmt, ein Prozess, den Wissenschaftler Desoxygenierung nennen. Die Meere kommen, bildlich gesprochen, nicht mehr zu Atem. Verursacht wird dies durch die Erwärmung und geringere Durchmischung des Meerwassers, sowie durch Eutrophierung. In seiner extremen Form führt dieser Prozess zu sogenannten «dead zones», «Totzonen», in denen der Sauerstoffgehalt für die meisten Meeresbewohner nicht ausreicht, um zu überleben. Diese Regionen werden sich in Zukunft weiter ausbreiten.

In einigen Fällen wirkt sich der Klimawandel gar auf ganze Meeresströmungen aus. Ein Beispiel hierfür ist die Atlantische Meridionale Umwälzzirkulation (AMOC) – die mächtige Strömung, welche warmes Wasser aus der Karibik nach Europa transportiert. Sie wird sich den Modellen zufolge im Laufe des 21. Jahrhunderts abschwächen. Und obwohl die Wissenschaft mit mittlerer Gewissheit davon ausgeht, dass es innerhalb dieses Jahrhunderts nicht zu einem abrupten Zusammenbruch der AMOC kommen wird, kann ein solch grosser Klima-Kipppunkt nicht vollständig ausgeschlossen werden.

Eine sichtbarere und bekanntere Auswirkung des Klimawandels ist das Abschmelzen der Eisschilde auf Grönland und in der Antarktis, das zum Anstieg des Meeresspiegels beiträgt (zusammen mit der thermischen Ausdehnung wärmeren Meerwassers). In den nächsten 2’000 Jahren müssen wir mit einem globalen mittleren Meeresspiegelanstieg um 2 bis 3 m rechnen, falls wir die Erderwärmung auf 1.5°C begrenzen können, um 2 bis 6 m bei einer Erwärmung von 2°C, und um ganze 19 bis 22 m im Falle von 5°C Erwärmung.

Darüber hinaus wird die Arktis bei anhaltender Erwärmung noch vor 2050 zum ersten Mal im Sommer eisfrei sein – ein Zustand, der bei fortgesetzt hohen Treibhausgasemissionen ab 2100 zum neuen Normalzustand werden könnte. Dies würde erhebliche Auswirkungen auf Arten haben, die für ihr Überleben, ihre Futtersuche oder ihre Fortpflanzung auf Meereis angewiesen sind, wie etwa Wale, Eisbären oder Robben.

Viele dieser Auswirkungen werden marine Ökosysteme und deren Bewohner auf der ganzen Welt vor grosse Herausforderungen stellen und einige von ihnen möglicherweise an den Rand ihrer Anpassungsfähigkeit bringen – oder diese sogar übersteigen. Dies könnte nicht nur das Überleben gewisser Arten bedrohen, sondern auch ganze Regionen enorm wichtiger Ökosysteme und Hotspots marinen Lebens verwüsten, wie etwa die Korallenriffe.

Angesichts solcher Perspektiven wird es wichtiger und dringender denn je, unsere Ozeane zu schützen. Sie sind wortwörtlich unsere grössten Verbündeten im Wettlauf gegen den Klimawandel. Wir müssen ihre Gesundheit, Biodiversität und Resilienz, ebenso wie ihre wertvollen Dienstleistungen erhalten, damit sie uns weiterhin beim Klimaschutz zur Seite stehen können.

Was braucht es nun?

Wenn man den Report liest, wird klar, dass wir auf Neuland zusteuern. Nie zuvor war die Menschheit damit konfrontiert, dass die Meere zeitgleich dermassen schnell wärmer werden, versauern, an Sauerstoff verarmen und an Qualität als Lebensraum verlieren wie heutzutage. Doch auch wenn dies alles düster klingt: Es gibt immer noch Hoffnung. Wir sind dem Klimawandel nicht einfach hilflos ausgeliefert – im Gegenteil, wir verursachen ihn und treiben ihn an. Unser Handeln bestimmt, in welche Richtung wir steuern, und mit welcher Geschwindigkeit. Noch können wir den Klimawandel verlangsamen, das Ausmass seiner Auswirkungen abschwächen, in manchen wichtigen Aspekten das Ruder noch herumreissen. Und selbst wenn wir einige Prozesse bereits auf einen besorgniserregenden Kurs gelenkt haben, auf dem sie für hunderte, wenn nicht gar tausende Jahre bleiben werden – andere Konsequenzen können wir immer noch abschwächen oder verhindern, manche sogar rückgängig machen, wenn wir sofort mit einer schnellen, entschlossenen und anhaltenden Senkung unserer Treibhausgasemissionen reagieren.

Das Klima unserer Zukunft hängt von unseren heutigen Handlungen ab. Oder, wie es die Ozeanographin Sylvia Earle formuliert: «Unser Handeln in den nächsten 10 Jahren wird den Zustand des Ozeans für die nächsten 10’000 Jahre bestimmen.» Dieser neue Sachstandsbericht ist ein dringender Weckruf – einer, den wir beherzigen müssen, bevor es zu spät ist.

Soforthilfe für den Ozean

Um dieser Verantwortung gerecht zu werden und unsere Ozeane zu schützen, fordert OceanCare ein sofortiges Verbot der Exploration von Kohlenwasserstoffen und einen Ausstieg aus der Öl- und Gasförderung weltweit. Dies wäre ein bedeutender Schritt in Richtung der dringend notwenigen Dekarbonisierung unserer Wirtschaft und würde zugleich auch eine weitere Stress- und Gefahrenquelle für Meerestiere eliminieren.

OceanCare fordert ausserdem die Internationale Seeschifffahrtsorganisation (IMO) dazu auf, eine verbindliche Geschwindigkeitsreduktion für die Seeschifffahrt einzuführen. Dies ist bewiesenermassen eine einfach umsetzbare, sofort wirksame und kostengünstige Massnahme, um die CO2-Emissionen eines wichtigen Wirtschaftssektors stark zu reduzieren – sowie, ganz nebenher, auch dessen Lärmemissionen, die ein weiterer Stressfaktor für Meerestiere sind. Die Europäische Union und ihre Mitgliedstaaten sollten sich an vorderster Front für diese Massnahme einsetzen und sie wo immer möglich in ihren Gewässern umsetzen.

Neben diesen direkten Klimaschutzmassnahmen konzentriert sich OceanCare darauf, die Stressoren zu reduzieren, die neben dem Klimawandel ebenfalls auf Meereslebewesen und ihren Lebensraum einwirken. Zu diesen Stressoren gehört die weltweite Verschmutzung der Meere und die Überfischung ebenso wie die Zerstörung mariner Lebensräume, die Bedrohung durch Geisternetze und Schiffskollisionen, oder der Walfang. Auch wenn die Verringerung dieser Stressoren die schädlichen Auswirkungen des Klimawandels nicht verringert, so trägt sie doch mit grosser Wahrscheinlichkeit dazu bei, die Resilienz mariner Ökosysteme und Tierpopulationen zu stärken – wie auch unsere Hoffnung, dass sie sich dadurch besser an den Klimawandel anpassen und unserem unschätzbaren Verbündeten weiterhin Leben einhauchen werden: unseren Ozeanen.