Medienmitteilung

OceanCare begrüsst Aufnahme des Schiffsverkehrs in das EU-Emissionshandelssystem

14. Juli 2021

Die internationale Meeresschutzorganisation OceanCare begrüsst die Aufnahme der Seeschifffahrt in das Emissionshandelssystem (ETS) der Europäischen Union, wie es sich im heute von der Europäischen Kommission vorgelegten Legislativpaket „Fit for 55“ widerspiegelt. Die EU bietet damit eine Vorlage für die Internationale Seeschifffahrts-Organisation, einen globalen Marktmechanismus zur Reduktion des Treibhausgasausstosses in diesem sehr emissionsintensiven Sektor einzuführen. Allerdings betrachtet es OceanCare als inkonsistent und für den Klimaschutz nicht hilfreich, dass die Europäische Kommission für den Schiffsverkehr auf Flüssiggas (LNG), einen fossilen Brennstoff, setzt.

Die CO2-Emissionen, die unter das Überwachungs-, Prüfungs- und Berichterstattungssystem (MRV)[1] der EU fallen, machen etwa 15% des gesamten CO2-Ausstosses des globalen Schiffsverkehrs aus. Die EU-Schifffahrt muss ab sofort bis 2030 ihre CO2-Emissionen um 90 Megatonnen reduzieren, um ihr neues Klimaziel[2] zu erreichen (Reduktion der Treibhausgasemissionen bis 2030 um 55% unter den Wert von 1990). Mit der Entscheidung, die Schifffahrt in den Emissionshandel einzubeziehen, wird die EU deutliche Fortschritte bei der Senkung von Treibhausgasemissionen machen können. Sie ermutigt die Schiffseigner, rasch Energieeffizienz-Massnahmen umzusetzen, etwa die Reduktion der Fahrtgeschwindigkeit, sowie mittel- und langfristig auf nachhaltige Nullemissions-Treibstoffe umzustellen, wie etwa grünen Wasserstoff oder Ammoniak aus erneuerbaren Quellen.

Fast die Hälfte der erforderlichen 90-Megatonnen-Reduktion bis 2030 könnte durch ein Bündel an Energieeffizienzmassnahmen erzielt werden. Es ist weithin anerkannt, dass die Verminderung der Fahrtgeschwindigkeit von Schiffen unter den möglichen betrieblichen Massnahmen diejenige ist, mit der eine deutliche Reduktion der CO2-Emissionen am kosteneffizientesten und schnellsten möglich ist. Diese Massnahme hat ausserdem noch weitere positive Umweltauswirkungen, da sie auch den Ausstoss von Luftschadstoffen (SOx, NOx, Russ etc.), den Unterwasserlärm und die Gefahr von Kollisionen mit Meerestieren vermindert.

„Mit der heutigen Vorlage sendet die Europäische Kommission auch ein starkes und eindeutiges Signal an die Internationale Seeschifffahrts-Organisation (IMO), wie wichtig ein weltweiter marktbasierter Mechanismus ist, um die Treibhausgasemissionen aus der Schifffahrt zu reduzieren. Bis dato hat es die IMO nicht geschafft, die Dekarbonisierung des globalen Schifffahrtssektors voranzubringen“, erklärt Nicolas Entrup, Co-Leiter Internationale Zusammenarbeit bei OceanCare.

OceanCare begrüsst, dass die EU sich zu einem bedeutenden Schritt in die richtige Richtung entschlossen hat und damit aus der Blockade innerhalb der IMO ausbricht, wo die EU, UK, Kanada, Neuseeland, die Marshallinseln, Tuvalu und zuletzt auch die USA (die ihre Klimapolitik unter der neuen Regierung von Joe Biden geändert hat) konstruktive Vorschläge für Fortschritte bei der Treibhausgasreduktion einbringen. Diese progressiven Länder werden aber von einer Staatengruppe bestehend aus Argentinien, Chile, Brasilien, Indien, Russland, Japan, China, den Vereinigten Arabischen Emiraten, Saudi-Arabien und anderen fortwährend blockiert. Letztere haben offenbar noch nicht verstanden, dass Untätigkeit gegenüber der Notwendigkeit, den Treibhausgasausstoss stark zu reduzieren, letztlich unvermeidbar viel höhere ökonomische Kosten nach sich ziehen wird.

Wenn die IMO weiterhin eine global führende Rolle spielen will, um eine sichere, umweltverträgliche, effiziente und nachhaltige Schifffahrt zu fördern (so ihre offizielle Mission), dann sollte sie der Anwendung eines durchgängigen Emissionssteuerregimes zustimmen. Damit würde sie dem globalen Markt ein unmissverständliches Zeichen senden, dass ein Übergang zu einer vollständig dekarbonisierten Schifffahrt, die niemanden zurücklässt und die mit der Wissenschaft und den Zielen des Pariser Klimaabkommens konform geht, der einzig kluge Weg ist. Ausserdem würde diese Massnahme dem Markt das höchste Mass an Planbarkeit geben und so die Unterbrechungen für Industrie und Handel minimieren.

Wo der „Fit for 55“-Plan der Europäischen Kommission leider kläglich versagt, ist die Forcierung von Nullemissionstreibstoffen für die Schifffahrt. Statt die Grundlagen für die notwendige breite Verwendung von grünem Wasserstoff und Ammoniak in den kommenden Jahrzehnten zu legen, enthält der Kommissionsvorschlag zur Änderung der Richtlinie zum Aufbau der Infrastruktur für alternative Kraftstoffe (AFID) – jetzt in eine Verordnung umgewandelt – den Auftrag, bis 2025 an den Seehäfen ein Netz an Tankstationen für Flüssiggas aufzubauen (mit Terminals, Tanks, mobilen Containern, Lagerschiffen und Lastschiffen).

„Wir finden diesen Schritt der Kommission sehr irritierend, denn Erdgas zu fördern ist kurzsichtig und ein schwerer Fehler in einer Klimaschutzstrategie“, ergänzt OceanCare-Schifffahrtsexperte Carlos Bravo. „Erdgas ist ein fossiler Treibstoff mit einem riesigen Kohlenstoff-Fussabdruck. Dieser massive Fussabdruck entsteht sowohl durch die CO2-Emissionen bei der Verbrennung als auch durch die grossen Emissionen von Methan (eines Treibhausgases, das zehnmal stärker wirkt als CO2) über den gesamten Nutzungsprozess.“

Hingegen begrüsst OceanCare den Vorschlag der Kommission, dass die Mitgliedstaaten in allen Seehäfen des Trans-European Transport Network (TEN-T) die erforderlichen Massnahmen ergreifen sollen, um eine landseitige Stromversorgung (SSE) für Hochsee-Container- und ‑Passagierschiffe zu gewährleisten. Diese beiden Schiffskategorien haben gemäss MRV-Daten von 2018 die höchsten Emissionen am Ankerplatz und sollten daher prioritär Zugang zu landseitiger Stromversorgung erhalten.

OceanCare hält allerdings fest, dass diese Massnahme auf 2025 vorgezogen und nicht – wie im Kommissionsvorschlag vorgesehen – bis 2030 verzögert werden sollte. SSE ist eine seit mehr als 20 Jahren ausgereifte Technologie, aber bisher wurde sie nur von wenigen Häfen umgesetzt, da dies von der EU und von ihren Mitgliedstaaten nicht unterstützt wurde.

[1] Die EU-MRV-Verordnung enthält Anforderungen an die Überwachung, Berichterstattung und Prüfung von Kohlendioxid-(CO2)-Emissionen von Schiffen, die Häfen der EU und/oder des Europäischen Wirtschaftsraums anlaufen oder von dort abfahren.

[2] Im Rahmen des 2030-Klimazielplans sieht die Kommission vor, die Emissionsreduktionsziele der EU auf eine Vermindung um mindestens 55% gegenüber 1990 anzuheben.