Der „Mammut“-Staubsauger von Climeworks ist eine falsche Lösung für die Klimakrise
Mammuts starben vor etwa 10.000 Jahren aus. Heute, am Mittwoch, den 8. Mai 2024, nimmt das Schweizer Unternehmen Climeworks seine neueste und grösste Anlage zur direkten Luftabscheidung in Island in Betrieb. Climeworks hat sie passenderweise, wenn auch vielleicht unwissentlich, «Mammut» genannt.
Der vom Menschen verursachte Klimawandel ist eine existenzielle Bedrohung für das Leben auf der Erde, da die überschüssigen Treibhausgase in unserer Atmosphäre die Energie der Sonne einfangen und den Planeten aufheizen. Die direkte Luftabscheidung (Direct Air Capture, DAC) ist so konzipiert, dass sie wie ein Staubsauger funktioniert, der einen Schadstoff (in diesem Fall Kohlendioxid oder CO2) aus der Luft absaugt. Befürworter behaupten, dass DAC in grossem Massstab einen bedeutenden Beitrag zur Verringerung des globalen (und wachsenden) Bestands an Treibhausgasemissionen leisten könnte.
Es ist jedoch wichtig, über die Fanfare des heutigen Starts hinaus zu sehen, was wirklich angeboten wird, und die umfassenderen Auswirkungen auf unseren Planeten und seine Ozeane zu berücksichtigen. Obwohl viele Länder technische Lösungen wie die direkte Luftabscheidung in ihre Netto-Null-Pläne einbeziehen, ist es keineswegs sicher, dass sie jemals so weit reichen könnten, um solche Anforderungen zu erfüllen. Oder – noch wichtiger – ob sie das überhaupt sollten.
Erstens ist die DAC-Technologie sehr teuer; die derzeitige Anlage von Climeworks, «Orca», bindet CO2 zu Kosten von über 1.000 USD pro Tonne. Dieser Betrag deutet ironischerweise auf die tatsächlichen Kosten der Emission einer Tonne CO2 hin, auch wenn wir derzeit Treibhausgase in die Atmosphäre entweichen lassen, als wäre es eine kostenloses öffentliche Ressource. Angesichts der DAC-Kosten, die anfallen, um diese Verschmutzung später aus der Atmosphäre zu entfernen, wäre es theoretisch wesentlich günstiger, einfach Unternehmen wie Shell aufzukaufen und die fossilen Brennstoffe von vornherein im Boden zu belassen. Ganz zu schweigen davon, dass wir durch die Eindämmung unserer künftigen Emissionen das Überschreiten kritischer Klimakipppunkte, die noch nicht erreicht sind, vermeiden könnten.
Die neueste DAC-Anlage von Climeworks, Mammoth, soll zehnmal so viel CO2 abscheiden wie Orca, nämlich etwa 36.000 Tonnen CO2 pro Jahr. Es ist jedoch unklar, wie viele Emissionen während des Betriebs und des Baus dieser riesigen Anlage tatsächlich entstehen, und Climeworks hat diese Informationen nicht zur Verfügung gestellt. Auch wenn 36.000 Tonnen nach einer grossen Zahl klingen mag: Das entspricht derzeit ca. einem Millionstel unserer jährlichen weltweiten Emissionen. Selbst wenn Climeworks und andere DAC-Unternehmen Hunderte dieser DAC-Anlagen bauen würden, entspräche dies nicht einmal einem Prozent der derzeitigen jährlichen weltweiten Emissionen.
Der Fussabdruck der DAC-Anlagen besteht nicht nur in den Emissionen, sondern auch in der Energie und den Materialien, die für ihren Betrieb benötigt werden. Climeworks verwendet chemische Stoffe, um CO2 zu absorbieren, was zu Abfall führt und eine Ausweitung der Rohstoffindustrie erfordert, wenn DAC wächst.
Energetisch gesehen ist DAC äusserst ineffizient, da grosse Mengen benötigt werden, um eine viel geringere Menge an CO2 abzuscheiden. Um zu vermeiden, dass noch mehr CO2 in die Atmosphäre gelangt, dürfen natürlich keine fossilen Brennstoffe verwendet werden. Mammut nutzt wie Orca die reichlich vorhandene geothermische Energie in Island, die es dem Land ermöglicht, mit nahezu 100 % „erneuerbarer“ Energie zu arbeiten. Bis wir einen Überschuss an erneuerbarer Energie erreicht haben, wird diese weitaus effizienter eingesetzt, um die weitere Nutzung fossiler Brennstoffe zu verdrängen, als DAC zu betreiben.
Warum nimmt OceanCare Stellung zur DAC-Technologie?
Die DAC-Anlagen fangen zwar etwas CO2 ab, wenn auch sehr ineffizient, aber es stellt sich immer noch das Problem, was damit geschehen soll. Dazu arbeitet Climeworks mit dem isländischen Unternehmen Carbfix zusammen, das den Kohlenstoff speichert, indem es ihn unter Druck mit Wasser mischt und ihn dann in den Untergrund pumpt, wo er als Gestein karbonisiert oder mineralisiert.
Bei diesem Verfahren wird viel Wasser verbraucht, mindestens 25 Tonnen pro Tonne CO2. Climeworks behauptet, dass weltweit zwischen 10.000 und 1.000.000 Gigatonnen Kohlenstoff gespeichert werden könnten, wobei allerdings offen bleibt, wie schnell die Tunnel im Gestein verstopfen würden. Dennoch würden in jedem Massstab, der auch nur annähernd klimatologisch sinnvoll wäre, unverhältnismässig grosse Mengen an Süsswasser benötigt, während der Fixierungsprozess selbst natürliche Wasserquellen, wie z.B. Aquifere, weiter verschmutzen könnte.
OceanCare engagiert sich dann, weil das Problem, wie in so vielen Fällen, auf die Ozeane verlagert wird. Carbfix hat mit der Erprobung der Verwendung von Meerwasser zur Bindung von Kohlenstoff begonnen, der abgepumpt und in unterseeischen Basalten gespeichert werden soll.
Die Ozeane sind unser bester Verbündeter im Kampf gegen den Klimawandel. Die Entnahme grosser Mengen Meerwasser hat erhebliche Auswirkungen auf den Ozean. So würde beispielsweise eine enorme Anzahl von Fischlarven getötet, was sich auf die gesamte Nahrungskette auswirken, die Fischerei beeinträchtigen und das Meeresleben bedrohen würde.
Der Bau von Pipelines und die anschliessenden Pumpvorgänge werden erhebliche Auswirkungen auf die Meere haben, wie z. B. die Lärmbelästigung unter Wasser, während die unvermeidlichen CO2-Austritte die lokale Meereschemie verändern und die Ökosysteme schädigen werden. Das Einpressen von Wasser unter hohem Druck in die Erde führt auch zu seismischen Aktivitäten, insbesondere in Basaltgestein, das unter Druck brüchig wird. Es überrascht nicht, dass die Speicherung von CO2 unter dem Meeresboden ebenfalls seismische Aktivitäten auslösen würde, wodurch einige der häufig vorkommenden Methanblasen unter dem Meeresboden freigesetzt werden könnten – ein starkes Treibhausgas.
Auch wenn seismische Aktivitäten, die gross genug sind, um Tsunamis auszulösen, unwahrscheinlich sind, werden kleinere Erdbeben dennoch erhebliche Auswirkungen auf die Meeresumwelt haben, wie z. B. Lärm, Lebensraumverlust und die Verlagerung von Sedimenten, die Meereslebewesen verwirren, verlagern und töten können. In dem Masse, wie DAC wächst und expandiert, steigen auch diese unnötigen Risiken für die Meeresumwelt.
Die direkte Luftabscheidung und -speicherung ist daher eine teure, unzureichende und mit der Umwelt nicht zu vereinbarende technische Lösung, die von den für den sofortigen Ausstieg aus fossilen Brennstoffen erforderlichen Anstrengungen und Ressourcen ablenkt oder – schlimmer noch – sie verhindert. Die Förderung solcher Technologien könnte mit einem fehlgeleiteten wissenschaftlichen Experiment zur Wiederbelebung einer längst ausgestorbenen Art verglichen werden. Im Fall von Climeworks‘ Mammut deutet alles darauf hin, dass die Zeit bereits abgelaufen ist.