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Walfangkonferenz 2022: Stellungnahme von OceanCare zur Haltung von Antigua und Barbuda

21. Oktober 2022

Die Regierung von Antigua und Barbuda reagierte auf Medienberichte in der Karibik über Kritik von Meeresschutz-NGOs, darunter auch von OceanCare. Die öffentliche Stellungnahme des Premierministers steht im Widerspruch zu den Initiativen der Delegation des Inselstaates bei der IWC. OceanCare nimmt Stellung dazu.

OceanCare nimmt Stellung zu Medienberichten und insbesondere zu den Aussagen des Kabinetts der Regierung von Antigua und Barbuda. Da dessen ursprüngliche Erklärung noch nicht öffentlich zugänglich ist, beziehen wir uns auf Zitate aus Medienartikeln, wie https://caribbean.loopnews.com/content/antigua-barbuda-says-it-has-not-agreed-lift-whaling-ban, die am 20. Oktober 2022 veröffentlicht wurden.

Zitat: «In einer Regierungserklärung hiess es heute: ‘Das Kabinett hat NICHT zugestimmt, das Walfangverbot aufzuheben, und ist sich keiner Erklärung bewusst, die etwas anderes nahelegen würde.’»

Wir begrüssen diese Klarstellung des Kabinetts. Sie macht deutlich, dass die Aktivitäten der Delegation von Antigua und Barbuda bei der Sitzung der Internationalen Walfangkommission nicht mit deren Regierungsmandat übereinstimmen.

Die Fakten: Antigua und Barbuda war ursprünglich der einzige Befürworter des Entwurfs einer ‘Resolution für die Umsetzung eines Programms zur Erhaltung und Bewirtschaftung der Walbestände mit dem Ziel der Aufhebung des Moratoriums und der geordneten Entwicklung der Walfangindustrie’. Auf der IWC-Tagung schloss sich St. Lucia der Resolution als Mitunterzeichner an. Resolutionen sind ein wichtiger Mechanismus, den die IWC auf ihren Tagungen einsetzt, um Entscheidungen zu treffen und künftige Arbeitsfelder festzulegen. Es liegt auf der Hand, dass mit der genannten Resolution ein Prozess eingeleitet werden sollte, um einen Rahmen für die Wiederaufnahme des kommerziellen Walfangs auszuhandeln. Bereits der Titel der Resolution weist deutlich auf die Absicht hin, das Walfangverbot aufzuheben.

Zusätzlich hat Antigua und Barbuda zusammen mit Kambodscha, Gambia und der Republik Guinea den Entwurf der ‘Resolution zur Ernährungssicherheit’ mitunterzeichnet. OceanCare ist zutiefst besorgt über die reale Bedrohung, die Hunger und schlechte Ernährung für gefährdete Bevölkerungsgruppen weltweit darstellen. Es ist uns bewusst, wie wichtig Fischressourcen für die Ernährungssicherheit insbesondere von Menschen, die in Küstengemeinden leben, sind. Dieser Sachverhalt wird von keinem einzigen Mitgliedsstaat der IWC in Frage gestellt. Wir erinnern aber daran, dass dies weniger in den Zuständigkeitsbereich der Internationalen Walfangkommission, als vielmehr jenen der Welternährungsorganisation (FAO) fällt. Kommt hinzu, dass die UNO-Generalversammlung (UNGA) im Mai 2022 eine Resolution für eine ganzheitliche Vorgehensweise im Bereich der Ernährungssicherheit verabschiedet hat. Liest man die IWC-Resolution zur Ernährungssicherheit genau und versteht deren Kontext innerhalb der IWC, wird deutlich, dass es sich dabei um einen weiteren Vorstoss handelt, einen Kontext für ‘nachhaltigen Walfang’ zu schaffen, der lediglich der Tarnung eines Walfangs mit kommerziellen Elementen dient.

Fragen der Ernährungssicherheit können nicht adressiert werden, ohne die eigentlichen Ursachen des Problems anzugehen: etwa die Erschöpfung der Fischbestände infolge Überfischung, einschliesslich der industrialisierten Fischerei durch Fernflotten und des illegalen, nicht gemeldeten und unregulierten Fischfangs (IUU), der die Hauptbedrohung für die Ernährungssicherheit der Küstengemeinden darstellt. Vor diesem Hintergrund ist es nicht möglich, die Ernährungssicherheit als eigenständiges Ziel zu betrachten oder zu suggerieren, die Tötung von Walen könne hinsichtlich der Verbesserung der Ernährungssicherheit eine Lösung oder auch nur Teil einer Lösung sein. Eine wirksame Massnahme zur Bekämpfung der IUU-Fischerei ist zum Beispiel das FAO-Übereinkommen über Hafenstaatmassnahmen zur Verhütung, Bekämpfung und Beseitigung illegaler, nicht gemeldeter und unregulierter Fischerei (PSMA). Dieser rechtsverbindliche internationale Vertrag verpflichtet Hafenstaaten dazu, IUU-Fischerei betreibende Schiffe daran zu hindern, Häfen anzulaufen und Fänge anzulanden. Antigua und Barbuda ist noch nicht Mitglied des PSMA. OceanCare ermutigt den Inselstaat, in dies in naher Zukunft nachzuholen.

Abschliessend ist anzumerken, dass die IWC das Recht indigener Gemeinschaften anerkennt, die den Walfang zur Deckung ihres Lebensunterhalts und ihrer traditionellen Bedürfnisse weiterhin praktizieren. Diese Praxis wurde nie in Frage gestellt.

Weiteres Zitat: «An der heutigen Pressekonferenz nach der Kabinettssitzung erklärte Botschafter Lionel Hurst, Stabschef im Büro des Premierministers, 48 Länder hätten die Resolution vorgeschlagen, die immer auf der Agenda der IWC-Jahrestagung stünde. ‘Es ist ein fester Bestandteil der Internationalen Walfangkommission… Die Mehrheit wird immer dagegen stimmen und es wird erwartet, dass diese Resolution abgelehnt wird. Antigua und Barbuda hat sich schon immer sehr für diese Angelegenheit interessiert’, erklärte er. ‘Unsere Freunde in Japan haben grosses Interesse an dieser Angelegenheit gezeigt. Aber so, wie es in der Vergangenheit gelaufen ist und auch jetzt läuft, wird die Resolution abgelehnt werden, sodass den Walen kein Schaden zugefügt wird.’»

Keine der Resolutionen, die der Kommission an der Tagung vorgelegt wurden, wurde von 48 Ländern vorgeschlagen. Höchst fragwürdig ist auch zu behaupten, dass eine Resolution den Walen nicht schaden werde, weil sie abgelehnt würde. Warum sollte sie dann eingereicht werden? Anzumerken ist, dass Japan die IWC im Jahr 2019 verlassen hat und nicht mehr Mitglied der Walfangkommission ist.

Aktueller Stand der Initiativen von Antigua und Barbuda: Beide Resolutionen kamen auf der 68. Tagung der IWC nicht zur Abstimmung, wurden aber auch nicht zurückgezogen. Die Befürworter haben angedeutet, die Resolutionen auf der nächsten IWC-Tagung in zwei Jahren erneut einzubringen.

Bleibt die Frage offen, ob sich die Regierung von Antigua und Barbuda dannzumal erneut einem Prozess anschliessen wird, der eindeutig Walfanginteressen fördert und im Widerspruch zur Erklärung des Büros des Premierministers zu stehen scheint.

Es sei angemerkt: Die Delegation von Antigua und Barbuda unterstützt die Initiativen Japans innerhalb der Internationalen Walfangkommission seit langem und hat sich beispielsweise nicht aktiv an den Arbeitsabläufen des Erhaltungsausschusses beteiligt, der 2004 innerhalb der IWC eingerichtet wurde.

Wir anerkennen und unterstützen die Forderung, die der Premierminister von Antigua und Barbuda an der UNO-Generalversammlung im September 2022 eingebracht hat: die Vereinten Nationen sollten im Interesse der globalen Gerechtigkeit und im Namen der Kleinen und Machtlosen eine von Vanuatu vorgeschlagene Initiative unterstützen, die den Internationalen Gerichtshof um ein Gutachten zu den völkerrechtlichen Verpflichtungen der Staaten bittet, die Rechte heutiger und zukünftiger Generationen gegen die negativen Auswirkungen des Klimawandels zu schützen.

OceanCare ermutigt die Regierung von Antigua und Barbuda, sich innerhalb der IWC neu zu positionieren und die in der 2018 von der IWC verabschiedeten Florianopolis-Erklärung definierten Ziele zu verfolgen und Initiativen zum Schutz der Wale innerhalb und ausserhalb der IWC zu stärken.

OceanCare ist dankbar, dass dieses wichtige Thema in der Öffentlichkeit diskutiert wird, und optimistisch, dass die Regierung von Antigua und Barbuda eine Klärung vornehmen wird.

Ausgewählte Medienberichte
https://antiguaobserver.com/international-fury-at-nations-calls-for-talks-on-lifting-decades-old-whaling-ban/

Inklusive Positionierung des Premierministers von Antigua und Barbuda
https://caribbean.loopnews.com/content/antigua-barbuda-says-it-has-not-agreed-lift-whaling-ban