News

Warum Wale und Delfine Plastik fressen – neue Erkenntnisse

19. November 2024

Warum wurden in den letzten Jahren so viele Wale und Delfine mit Plastik im Magen gefunden? Liegt das nur an den erschreckenden Mengen an Plastik in ihren Lebensräumen im Meer oder spielen andere Faktoren eine Rolle? Aktuelle Forschungsergebnisse liefern einige neue Erkenntnisse und verdeutlichen erneut den schrecklichen Schaden, den Plastikmüll anrichtet.

In den letzten Jahren wurden bei zahlreichen gestrandeten Walen oder Delfinen (zusammenfassend als Cetaceen bezeichnet) auffallend hohe Mengen an Plastikabfällen in den Verdauungstrakten gefunden. Einige Fälle sind bekannt, in denen diese Materialien zum Tod der betroffenen Tiere beigetragen haben. Zu den Plastikgegenständen gehören Teile von Seilen, Netzen, Plastikfolien, Plastiktüten und Plastikflaschen. Dies hat zu Spekulationen darüber geführt, warum die betroffenen Tiere diese Kunststoffe zu sich nehmen.

Plastikaufnahme – eine tödliche Gewohnheit

Tieftauchende Arten, vor allem Schnabelwale und Pottwale, sind am stärksten betroffen. Eine Theorie besagt, dass die Gebiete, in denen diese Tiere auf Nahrungssuche waren, so stark mit Plastikmüll verschmutzt sind, dass sie nicht vermeiden konnten, diesen mit ihrer Beute (z. B. Tiefseekalmaren) aufzunehmen, insbesondere da sie Saugfresser sind. Die Tiere könnten die Kunststoffe versehentlich zusammen mit ihrer Beute eingesaugt haben.

Als eine andere Möglichkeit wird erachtet, dass sie tatsächlich gerne auf den Kunststoffmaterialien herumkauen und sie dann im Rahmen dieses Spielverhaltens verschlucken. So gibt es etwa einen berühmten Film von einem jungen Pottwal, der auf einem alten Plastikeimer herumkaut, welcher ihm schliesslich weggenommen wird; zu sehen in einer Folge der BBC-Serie Blue Planet II. Im Allgemeinen besteht kein Zweifel daran, dass viele Wale und Delfine mit natürlichen und künstlichen Gegenständen spielen, die sie in ihrer Umgebung finden, was das Risiko mit sich bringt, dass sie diese verschlucken.

Keine dieser Theorien kann vollständig ausgeschlossen werden, und sicherlich spielt die Allgegenwart von Plastik in den Nahrungsgründen der Tiefsee eine Rolle. Jüngste Forschungsergebnisse haben nun aber den wahrscheinlichen Hauptgrund für das anormale und lebensbedrohliche Verhalten gefunden. Diese Tiere jagen ihre Beute mit ihrem bemerkenswert scharfen Gehör. Eine neue Studie zeigt, dass die akustischen Profile von zersetzten Plastikteilen jenen der Beutetiere sehr ähnlich sind. Daher kann es sein, dass sie gefährliche Plastikteile einfach mit Tintenfischen oder Fischen verwechseln, weil beide für sie gleich tönen, und sie diese die Kunststoffe fressen, weil sie glauben, dass es sich um Beute handelt.

Akustische Profile abgleichen

Die Studie wurde von einem Forscherteam der Duke University in den USA durchgeführt. Sie verglichen die akustische „Zielstärke“ von Tintenfischen und Tintenfischschnäbeln mit natürlich verwitterten und verschmutzten Kunststoffen von der Küste North Carolinas. Sie stellten fest, dass 100 % der getesteten Plastikabfälle im Vergleich zu den Beutetieren „eine ähnliche oder stärkere akustische Zielstärke“ aufwiesen, und kamen zum Schluss, dass ihre Ergebnisse „die Hypothese stützen, dass der Verzehr von Plastik durch tief tauchende Zahnwale durch eine Fehlwahrnehmung akustischer Signale verursacht wird.“

Plastik im Blas von Walen

Eine weitere aktuelle Forschungsarbeit hat das Vorhandensein von Mikroplastik (winzige Plastikteilchen) im Blas (den Ausatmungen) von Tümmlern bestätigt, die in der Sarasota Bay in Florida und der Barataria Bay in Louisiana untersucht wurden. Dies bestätigt leider, dass die Atemwege dieser Tiere mit diesem Material kontaminiert sind. Beim Menschen kann eingeatmetes Mikroplastik Gewebeschäden und Entzündungen verursachen, die möglicherweise zu Krankheiten führen. Besorgniserregend ist, dass Delfine möglicherweise in gleicher Art betroffen sind.

Die Plastikverschmutzung an der Wurzel packen

OceanCare geht seit vielen Jahren gegen die zahlreichen Bedrohungen an, die durch die Verschmutzung der Umwelt, der Ökosysteme und der Tierwelt mit Plastik entstehen. Es ist zutiefst beunruhigend, zu erfahren, dass Wale und Delfine in den dunklen Tiefen der Unterwasserwelt Plastik fressen, das sie mit ihrer Beute verwechseln, was tödliche Folgen haben kann. Dies ist eine unerwartete Folge der Plastikverschmutzung, es könnte noch weitere geben.

Die Allgegenwart von Plastik, einschliesslich Mikroplastik, ist höchst beunruhigend.

Vom 25. November bis 1. Dezember findet in Busan, Republik Korea, die fünfte und letzte Sitzung des Zwischenstaatlichen Verhandlungsausschusses (INC) zur Ausarbeitung eines internationalen rechtsverbindlichen Vertrags zur Beendigung der Kunststoffverschmutzung, auch in der Meeresumwelt, statt.

OceanCare ist seit Beginn an diesem Prozess beteiligt und wird auch bei diesem Treffen vor Ort sein, um das Problem der Plastikverschmutzung entlang des gesamten Lebenszyklus von Kunststoffen zu thematisieren. Wir werden den Walen und Delfinen und allen anderen Lebewesen, die jetzt in einer Welt voller Plastikmüll leben, eine Stimme geben.

Es braucht ein umfassendes, ehrgeiziges und wirksames Abkommen, das diese schreckliche Bedrohung in sämtlichen Phasen angeht und die Produktion von neuer Kunststoffe, deren Verwendung und Freisetzung in die Umwelt reduziert.

Wissenschaftliche Informationen

Die neue Studie über die Akustik von Kunststoffen finden Sie hier.

Eine aktuelle Übersicht der Wechselwirkungen zwischen Walen und Kunststoffen finden Sie hier.

Die Studie über Mikroplastik im Atem von Delfinen wird hier diskutiert.