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Robbenbabys im Sturm: Die unterschätzte Bedrohung durch den Klimawandel

09. April 2025

Mit dem Klimawandel nehmen Häufigkeit und Intensität von Stürmen zu – und bringen zunehmend gefährdete Meerestiere in Gefahr. Eine bahnbrechende neue Studie, die nun im internationalen Fachjournal Oceans veröffentlicht wurde, liefert erstmals belastbare Hinweise darauf, wie Sturmereignisse Kegelrobbenbabys (Halichoerus grypus) auf den Britischen Inseln direkt betreffen – und welche Massnahmen dringend erforderlich sind.

Die wissenschaftliche Arbeit mit dem Titel „Vulnerability of Grey Seal Pups (Halichoerus grypus) to Storm Disturbances in the Context of Climate Change: A British Isles Case Study“ hebt die Notwendigkeit hervor, den marinen Wildtierschutz zu verstärken und langfristige Strategien für den Schutz von Robbenpopulationen zu entwickeln.

Über 20.000 Rettungsdaten ausgewertet

Um die Auswirkungen von Stürmen auf junge Robben zu verstehen, analysierte das Forschungsteam ein umfassendes Datenset mit über 20.000 dokumentierten Wildtierrettungen und Klinikaufnahmen aus den Jahren 2015 bis 2024. Die Ergebnisse liefern starke empirische Hinweise: Stürme führen zu einem deutlichen Anstieg verletzter oder unterernährter Robbenbabys, die dringend Hilfe benötigen.

Kegelrobbenbabys werden an offenen Küsten geboren und verbringen die ersten entscheidenden Lebenswochen an Land. Zu Beginn nach ihrer Geburt tragen sie ein weisses Fell und werden etwa drei Wochen lang gesäugt, wobei sie hier schnell an Gewicht zulegen – ein entscheidender Faktor für ihr Überleben. Nach dem Abstillen kehren die Mütter ins Meer zurück, während die Jungtiere weitere drei Wochen an Land verbringen, um ihr Fell zu wechseln. Danach begeben sie sich erstmals selbst ins Wasser.

Während dieser rund sechswöchigen Phase an Land sind die Jungtiere schlechte Schwimmer und besonders verletzlich. Starke Stürme können sie frühzeitig ins Wasser reissen, und auch Einflüsse durch den Menschen stellen eine Gefahr dar. Diese „Kinderstube“ an der Küste ist somit eine der riskantesten Lebensphasen für junge Kegelrobben.

Zu den häufigsten gesundheitlichen Problemen während stürmischer Phasen zählten Unterernährung, Kopfverletzungen, Flossenverletzungen sowie weitere Wunden und Infektionen. All diese Beschwerden nahmen während Sturmperioden deutlich zu – ebenso wie die Zahl der Notrufe und Rettungseinsätze.

Vorbereitung auf eine stürmischere Zukunft

Leiterin der Studie, Keely Saville, die die Untersuchung im Rahmen ihres Masterstudiums an der University of Bristol durchführte, betont die weiterreichenden Konsequenzen:„Robben sind zahlreichen negativen Einflüssen ausgesetzt, von denen viele durch den Klimawandel verstärkt werden. Unsere Ergebnisse – insbesondere angesichts der erwarteten Zunahme von verletzten Jungtieren – verdeutlichen den dringenden Bedarf an weiteren Rehabilitationszentren in strategisch wichtigen Küstenregionen mit gesicherter, langfristiger Finanzierung. Diese würden das bestehende Rettungsnetzwerk entlasten und das Wohlergehen der Kegelrobben angesichts des Klimawandels deutlich verbessern.“

Angesichts der prognostizierten Zunahme von Sturmintensität liefern die Ergebnisse zudem eine wichtige Grundlage für die künftige Planung von Rettungs- und Rehabilitationsmaßnahmen. Sie ermöglichen es Einsatzkräften, sich besser auf stark belastete Zeiträume und typische Verletzungsmuster vorzubereiten – ein Aspekt, der auch für den langfristigen Schutz der Art entscheidend sein dürfte.

Die Studie wurde von Mark Simmonds OBE, Direktor für Wissenschaft bei OceanCare, betreut. Er warnt: „Obwohl die Kegelrobbe derzeit als relativ häufig gilt, kann der Klimawandel diese Einschätzung schnell verändern. Die erste Lebensphase, in der die Jungtiere auf ungeschützten Küstenstreifen geboren werden, macht sie besonders anfällig für Verletzungen oder sogar den Tod.“

Gemeinsam für den Schutz der Robben

Die Studie ist das Ergebnis einer engen Zusammenarbeit zwischen Wissenschaftler:innen und Expert:innen aus der Wildtierrettung, bei der OceanCare eine koordinierende Rolle übernahm. Laetitia Nunny, leitende wissenschaftliche Mitarbeiterin bei OceanCare und Mitautorin der Studie, betont die Bedeutung dieses kooperativen Ansatzes: „Diese Forschung ist ein grossartiges Beispiel für die Zusammenarbeit zwischen Forschung, Monitoring und der Rettungs- und Rehabilitationspraxis. Wir bei OceanCare freuen uns, dieses Projekt mitkoordiniert und zu seiner Umsetzung beigetragen zu haben.“

Dieses Thema fordert eine globale Verantwortung

Etwa 34 % der weltweiten Kegelrobbenpopulation leben im Vereinigten Königreich. Auch wenn die Art derzeit nicht als gefährdet gilt, machen die Ergebnisse der Studie deutlich, wie stark der Klimawandel ihre langfristige Überlebensfähigkeit bedrohen könnte – und das beginnt bei den schwächsten Mitgliedern der Population: den Jungtieren.

Angesichts zunehmender Extremwetterereignisse stärkt diese Forschung die Argumente für den Ausbau von Rettungsinfrastruktur und gezielte Investitionen in einen klimaresilienten Meeresschutz.

Die vollständige Studie (auf Englisch) finden Sie hier.