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Einweg-E-Zigaretten: Ein Problem, das es nicht geben dürfte

13. Juni 2024

Eine neue Form der Umweltverschmutzung überrollt die Schweiz und stellt die Abfallwirtschaft vor Herausforderungen: Einweg-E-Zigaretten. Dieses Problem hätte vermieden werden können, wenn entschlossen gehandelt worden wäre. Statt dies zu tun, beschliessen die Schweizer Behörden, die Lösung dem privaten Sektor zu überlassen. Infolgedessen wird das Problem immer grösser. Es ist Zeit, dass sich dies ändert.

Einweg-E-Zigaretten kamen erst 2020 auf den Schweizer Markt. Seither hat ihre Verwendung rasant zugenommen. Es gibt zwar keine offiziellen Daten, aber laut Angaben der Industrie wurden bereits . Daten aus dem Ausland deuten ebenfalls auf eine Zunahme hin: Im Vereinigten Königreich hat sich der Verkauf von Einweg-E-Zigaretten zwischen 2022 und 2023 schätzungsweise verdoppelt, und in den USA stieg ihr Konsum zwischen 2022 und 2023 um fast 200 %.

Der zunehmende Konsum von Einweg-E-Zigaretten geht mit einer wachsenden Abfallmenge einher. Diese wird für die Schweiz derzeit auf 20 bis 30 Tonnen pro Jahr  geschätzt. Zusätzlich zu den unterschätzten Gesundheitsrisiken von E-Zigaretten verursacht dieser Abfall erhebliche Probleme.

Herausforderung für die Abfallwirtschaft und das Recycling

Einweg-E-Zigaretten verursachen sehr komplexen Abfall. So klein sie auch sein mögen, sie bestehen sowohl aus Kunststoffabfällen (Gehäuse), Elektronikschrott (Leiterplatten und Lithium-Ionen-Batterien) sowie gefährlichen chemischen Abfällen (Nikotin und andere Substanzen in der E-Flüssigkeit). Daher werden sie beispielsweise in den USA mittlerweile als gefährlicher Abfall eingestuft. Sowohl im Ausland als auch in der Schweiz wurden zahlreiche Fälle gemeldet, in denen Lithium-Ionen-Batterien in Abfallentsorgungs- und Recyclinganlagen Brände verursacht haben. Die zunehmende Verbreitung von Einweg-E-Zigaretten im Hausmüll – jede davon enthält eine solche Batterie – stellt eine klare Gefahr für diese Infrastrukturen und die dort arbeitenden Menschen dar.

Selbst bei sachgemässer Entsorgung, ist das Recycling von Einweg-E-Zigaretten durch die enthaltenen sehr kleinen Teile, die aus schwer zu trennenden Komponenten bestehen, erschwert. Infolgedessen werden E-Zigaretten nur in geringem Umfang recycelt, in der Schweiz werden sie gar nicht recycelt. Derzeit werden separat gesammelte E-Zigaretten lediglich gelagert und es wird auf ein industrielles Recyclingverfahren gewartet, das es noch nicht gibt.

In mehrfacher Hinsicht umweltschädlich

All dies bezieht sich auf E-Zigaretten, die ordnungsgemäss entsorgt werden. Nicht berücksichtigt wurden bisher diejenigen, die in die Umwelt geworfen werden. Da Einweg-E-Zigaretten erst seit Kurzem ein Phänomen in unserer Gesellschaft sind, fehlen noch aussagekräftige Daten. Es kann jedoch bereits jetzt zweifellos eine Zunahme des Litterings beobachtet werden – auch in der Schweiz.

Einmal in der Umwelt, stellen Einweg-E-Zigaretten eine langfristige Bedrohung dar. Das Gehäuse aus Kunststoff, die Batterie und die Rückstände der Verdampferflüssigkeit verursachen erhebliche Umweltschäden. In Wechselwirkung mit zahlreichen anderen Schadstoffen, die der Mensch in die Natur abgibt, nimmt der Schaden weiter zu.

Materialverschwendung in groteskem Ausmass

Ein gesundheitsschädliches Produkt ohne jeglichen intrinsischen Nutzen, ausser dem, Profit für diejenigen zu schaffen, die es produzieren und verkaufen, ist mit einer Batterie ausgestattet, die etwa 0,15 g Lithium enthält. Eine solche Batterie könnte hunderte Male wieder aufgeladen werden, doch das Einwegdesign der Zigaretten verhindert dies. So gelangen unglaubliche Mengen Lithium – ein nicht erneuerbarer, aber zunehmend gefragter Rohstoff, der für die Energiewende von entscheidender Bedeutung ist – in die Umwelt und gehen durch ungeeignete Abfallentsorgungsprozesse verloren. Allein im Vereinigten Königreich wurden im Jahr 2023 schätzungsweise Lithium im Wert von 5’000 Elektrofahrzeugbatterien verschwendet. Die geschätzte Zahl von 844 Millionen E-Zigaretten, die 2022 weltweit weggeworfen wurden, entsprechen mehr als 16’500 Autobatterien.

Ein Problem, das hätte verhindert werden können

Aufgrund der zahlreichen Probleme haben inzwischen viele Länder weltweit Einweg-E-Zigaretten verboten, darunter eine Reihe europäischer Länder – das Vereinigte Königreich, aber auch EU-Mitgliedstaaten wie Belgien und Frankreich. Und die Schweiz? Macht bislang nichts.

Parlamentsanträge von Christophe Clivaz und Delphine Klopfenstein-Broggini forderten vom Bundesrat eine entschiedene Haltung. Doch obwohl die Regierung die vielen Probleme mit Einweg-E-Zigaretten anerkennt, entscheidet sie sich bewusst dafür, kommerzielle und wirtschaftliche Interessen über den Schutz der Umwelt und der Gesundheit der Bevölkerung zu stellen. Wie bei so vielen anderen Umweltfragen vertrauen die Bundesbehörden darauf, dass der Privatsektor freiwillige Initiativen ergreift. Diese Strategie der vorsätzlichen Untätigkeit lässt das Problem laufend  grösser und komplexer werden. Das muss sich schnell ändern. Angesichts der Beweislage sollte die Schweiz ihren Nachbarn folgen und Einweg-E-Zigaretten verbieten.

Update: Es besteht Hoffnung. Am 12. Juni 2024 hat der Nationalrat gegen den Ablehnungsvorschlag des Bundesrats mit 122 zu 63 Stimmen den Antrag von Christoph Clivaz angenommen. Nun ist es am Ständerat, das Engagement des Parlaments zu bestätigen…